„Stephan Weil steht beim Weihnachtsgeld in der Pflicht“
Die Große Koalition hat versprochen, sich für die Anliegen der 18.000 niedersächsischen Polizisten einzusetzen. Aber reichen die angeschobenen Schritte dafür schon? Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im DGB, äußert sich im Interview mit dem Politikjournal Rundblick skeptisch.
Rundblick: Herr Schilff, Ihre Rufe nach Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes für niedersächsische Landesbeamte ist jüngst auch vom SPD-Landesparteitag erhört worden. Dort forderte eine Mehrheit die Landesregierung auf, entsprechende Schritte in Gang zu setzen. Ist das ein Erfolg?
Schilff: Ja, das hat uns sehr gefreut, denn es gibt uns Rückenwind.
Rundblick: Kurze Zeit später hat aber Ministerpräsident Stephan Weil erklärt, er sehe keinen finanziellen Spielraum dafür…
Schilff: Ich finde das sehr überraschend. Stephan Weil ist nicht nur Regierungschef, sondern auch Parteivorsitzender. Wenn der SPD-Parteitag eine solche Forderung erhebt, erwarte ich, dass der Vorsitzende sie annimmt und versucht umzusetzen. Das ist aber nicht geschehen. Sein kurzes und striktes Nein ist nicht angemessen. Und die Zahlen, die Finanzminister Reinhold Hilbers und die SPD-Finanzexpertin Frauke Heiligenstadt als mögliche Landesausgaben für das Weihnachtsgeld verbreiteten – 500 Millionen oder 700 Millionen Euro – sind nicht seriös. Der SPD-Beschluss verlangt nämlich kein volles Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, und wir tun das auch nicht. Es geht jetzt darum, dass die Landesregierung nicht einfach nur sagt „Das machen wir nicht“, sondern bitte mal mit uns redet.
Rundblick: Sehen Sie eine Bewegung in diese Richtung?
Schilff: Durchaus. Innenminister Boris Pistorius hat in der Personalversammlung seines Ministeriums vor wenigen Tagen erklärt, dass er sich in Schritten für eine Rückkehr zum Weihnachtsgeld einsetzen will. Aus der SPD-Landtagsfraktion höre ich ähnliche Stimmen. Auch aus der CDU habe ich keine strikte Ablehnung vernommen. Das ist ja auch sinnvoll, denn das Gehaltsniveau im öffentlichen Dienst wird immer stärker zu einem Wettbewerbskriterium. Wenn die Polizei in Niedersachsen attraktiv bleiben will, muss sie auf Dauer auch die bessere Bezahlung bieten.
Rundblick: Wie sieht der Vergleich aus?
Schilff: Nur drei Länder haben kein Weihnachtsgeld für Beamte ab A9 aufwärts – vom Kinder-Zuschuss abgesehen. Das sind Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen. Der Bund zahlt 60 Prozent als Weihnachtsgeld und verteilt das über zwölf Monate. Baden-Württemberg zahlt 50 Prozent, Bayern 70 Prozent – und wir hatten bis 2003 einen Betrag von 65 Prozent. Ein Kommissar nach A9, der in den gehobenen Dienst einsteigt, bekommt bei uns jährlich ein Bruttogehalt von 31.054 Euro. Nur im Saarland und in Berlin sind die Einkünfte schlechter. Hamburg zahlt 33.011 Euro, Bayern sogar 33.795 Euro. Bei uns muss der Beamte zwölf Jahre warten, bis er zum Oberkommissar (A10) befördert wird. In Nordrhein-Westfalen wäre er nach dieser Zeitspanne schon Hauptkommissar (A11) geworden….
Rundblick: Die Große Koalition in Hannover hat entschieden, neben der Einstellung von mindestens 1500 zusätzlichen neuen Polizeianwärtern, die Wartezeit auf A10 auf weniger als zehn Jahre zu verringern…
Schilff: Ja, das gehört auch zur Glaubwürdigkeit, denn im Wahlkampf wurde es versprochen. Ein konkretes Konzept gibt es bisher noch nicht, aber wir reden bald mit der Koalition darüber.
Rundblick: Die Krankenquote bei der Polizei ist mit 9 Prozent sehr hoch. Woran, meinen Sie, liegt das?
Schilff: Ein Grund liegt sicher in der hohen Arbeitsbelastung. Sie ist für besondere Dienste noch höher als für andere – im Einsatz- und Streifendienst etwa, bei der Bereitschaftspolizei, bei Todesermittlungen oder auch bei denen, die gegen die Verbreitung von Kinderpornographie ermitteln. Bisher gilt in all diesen Bereichen für die Polizisten auch die 40-Stunden-Woche. Schleswig-Holstein war Vorreiter bei dem Plan, für besonders harte Dienste die Arbeitszeit zu ermäßigen um eine oder anderthalb Stunden. Das könnte man auch bei uns tun und die Lücken schließen, indem nicht Polizisten, sondern Verwaltungsmitarbeiter für vollzugsfremde Aufgaben eingesetzt werden. Denkbar ist auch das Modell der „Schichtdienstkuren“, dass nämlich die Beamten alle zwei bis drei Jahre für eine Woche pausieren können – und psychisch wie physisch betreut werden. So können sie beispielsweise ihre Rückenprobleme kurieren.
Rundblick: Stoßen Sie mit solchen Gedanken bei der Politik auf Verständnis?
Schilff: Doch, schon. Aber es wäre zu früh, über konkrete Vereinbarungen zu spekulieren. Wir stehen erst am Anfang der Gespräche.