Die Bilanz der diesjährigen Ernte fällt in Niedersachsen nicht einheitlich aus. Der Präsident der niedersächsischen Landwirtschaftskammer, Gerhard Schwetje, blickt nach seinen eigenen Worten mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die vergangene Saison zurück. Von einem „Jahr der Gegensätze“ sprach er am Montag bei der Vorstellung der Erntebilanz. „Es gibt Kulturen mit Spitzenerträgen und welche mit enttäuschenden Ernteergebnissen“, sagte Schwetje. So sei es den Winterkulturen wie Raps, Winterweizen und Wintergerste aufgrund der Niederschläge zu Jahresbeginn recht gut ergangen. Die Sommerkulturen wie Kartoffeln, Zuckerrüben und Mais hingegen litten unter der Trockenheit.

„Europa ist dieses Jahr von einer verheerenden Dürre heimgesucht worden, davon blieben auch die Regionen zwischen Ostfriesland und dem Eichsfeld nicht verschont“, erläuterte Schwetje. Eine Folge daraus sei beispielsweise, dass eher kleinere und mittlere Kartoffeln geerntet werden. Die Pflanzenbaufachleute der Landwirtschaftskammer gehen davon aus, dass auch auf gut versorgten Kartoffeläckern nur durchschnittliche Erträge erzielt werden können. Den deutlichsten Effekt, den fehlendes Wasser haben könne, erkenne man bei der Zuckerrübe: Auf den einen Flächen seien Erträge von 85 Tonnen pro Hektar möglich, auf anderen nur höchstens 20 Tonnen.

Gerhard Schwetje stellt die Erntebilanz vor. | Foto: Landwirtschaftskammer

Für Getreide konnten in diesem Jahr Spitzenerlöse erzielt werden, allerdings blieb die Qualität häufig unterhalb des gewünschten Ergebnisses, führte Schwetje weiter aus. „Viele Weizenpartien, die als Brotgetreide gesät worden waren, landeten stattdessen zu niedrigeren Preisen in den Futtergetreidesilos des Landhandels“, berichtete der Kammerpräsident und erklärte, dass dies mit den guten Erträgen bei gleichzeitig geringer Düngung zusammenhänge. Der Preis wurde derweil vor allem vom russischen Krieg gegen die Ukraine bestimmt. Aus Sorge vor einer globalen Verknappung sei der Preis im Schnitt um 50 Prozent angestiegen, berichtete Schwetje.

Zu den Krisengewinnern zählen auch jene Betriebe, die auf eine Risikostreuung und auf eine Erweiterung der Fruchtfolge gesetzt haben. Als Beispiel führt Schwetje hierfür den Zuwachs an Sonnenblumen-Feldern heran. Die Fläche sei von 650 auf 2200 Hektar im konventionellen Landbau angewachsen, im Ökolandbau verdoppelte sich die Fläche auf 535 Hektar. Doch die steigenden Erlöse in vielen Segmenten wurden von den gestiegenen Kosten für Energie oder Düngemittel wieder aufgezehrt. Die Landwirte seien direkt und indirekt von der Verteuerung der Energiekosten betroffen, erläuterte Schwetje: „Direkt, weil sie selbst mit Erdgas Gebäude und Ställe heizen. Indirekt, weil der Erdgas-Preis in zahlreichen Produkten und Dienstleistungen steckt.“

Energieexperte Helmut Wahl vermittelt den Landwirten Grundwissen zur Energieeffizienz. | Foto: Landwirtschaftskammer

Um den Betrieben in dieser schwierigen Lage zu helfen, hat die Landwirtschaftskammer nun ein neues Beratungsangebot entwickelt. Jeder Landwirt soll demnach ab November eine Erstberatung in Anspruch nehmen können. In kostenfreien Seminaren sollen Energieberater Grundwissen zum Thema Energieeffizienz vermitteln. In jeder der elf Außenstellen der Kammer gibt es nun mindestens eine gesondert geschulte Person, zudem eine Handvoll Experten in der Zentrale. Einer von denen ist Helmut Wahl, bei der Landwirtschaftskammer als Berater für Energietechnik und Erneuerbare Energien beschäftigt. Wahl und sein Team haben berechnet, dass bei einem beispielhaften Ackerbaubetrieb mit 250 Hektar von Kostensteigerungen von um die 15.000 Euro zu rechnen sein werde. Härter trifft es die Nutztierhaltung. Einem Milchviehbetrieb mit 150 Kühen drohten Mehrkosten von 8900 Euro, ein Betrieb mit 2000 Mastschweinen müsste rund 19.800 Euro mehr für Energie zahlen. Bei einem Zuchtsauenbetrieb mit 250 Tieren und Ferkelaufzucht schlügen die Energiekosten mit zusätzlichen 36.700 Euro zu Buche. Am teuersten käme es einen Masthähnchen-Betrieb mit 80.000 Tieren zu stehen – Wahl berechnet hier Mehrkosten in Höhe von 73.200 Euro.



Die Energieberater der Landwirtschaftskammer empfehlen den Landwirten zunächst, Energie einzusparen und effizient zu nutzen. Möglichkeiten sehen sie etwa bei der Milchkühlung, der Warmwasserbereitung oder der Beleuchtung. Bei der Ferkelaufzucht sei es zudem sinnvoll, für die kleinen Tiere, die viel Wärme brauchen, andere Zonen mit anderen klimatischen Bedingungen zu schaffen als für die großen, erläuterte Wahl. In einem zweiten Schritt würden die Experten der Landwirtschaftskammer auch zu der Frage beraten, ob die Landwirte Energie selbst erzeugen sollen – beispielweise über Photovoltaik, Biogasanalgen oder Kraft-Wärme-Kopplung.