Statt Nothilfen brauchen Bauern bessere Vorsorgemöglichkeiten
Darum geht es: Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast wird heute dem Agrarausschuss zu den Folgen der Dürre in Niedersachsen Rede und Antwort stehen. Dabei wird es auch um die Höhe der Nothilfen gehen. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Vor einigen Jahrzehnten noch wäre dieser Sommer eine richtige Katastrophe gewesen. Von der Sonne verbrannte Wiesen, ausgetrocknete Felder und eine im wahren Wortsinn magere Ernte hätten jeden betroffen, denn die Regale im Einkaufsladen hätten nicht viel Auswahl geboten. Heute aber merkt der Verbraucher nichts von dieser Krise. Wie groß die Not der Bauern ist, spüren die Nichtbauern in ihrer Realität nicht mehr. Die Regale im Supermarkt sind üppig gefüllt mit allem, was das Herz begehrt, und der Preiskampf zwischen den Diskountern um das günstigste Schnitzel und die billigsten Tomaten geht munter weiter. Was der heimische Markt nicht bieten kann, das wird eben zum Schleuderpreis aus dem Ausland eingeführt. Die Wertschätzung für das Lebensmittel ist bei Handel und Verbrauchern längst auf der Strecke geblieben. Wer das nicht glaubt, muss bloß mal die Bio-Tonne aufmachen.
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Aber auch die Landwirte arbeiten nicht mehr so wie vor 50 Jahren. Die Agrarwirtschaft gehört zu den fortschrittlichsten überhaupt, hier fahren Mähroboter, solarbetriebene Computer zeigen rund um die Uhr die Befindlichkeit der Pflanzen an und auch Regen kann längst selbst gemacht werden. Gäbe es diese Möglichkeiten nicht, dann hätten Niedersachsens Landwirte sicher weit weniger als 4 ,7 Millionen Tonnen Getreide in diesem Dürre-Sommer eingefahren. Nun kann man nicht bestreiten, dass den Landwirten dieser Sommer finanziell wehtun wird. Erträge, mit denen gerechnet wurde, müssen abgeschrieben werden. Investitionen wie in den neuen Traktor werden auf bessere Zeiten verschoben. Es sei denn, der Staat springt ein und gleicht den Verlust zumindest teilweise mit Steuergeld aus.
Doch der bequemste Weg ist in diesem Fall der falsche Weg. Denn er fördert auf allen Seiten eine Anspruchshaltung, die das Geschäft langfristig schädigen wird. Landwirte, die wissen, dass ihre Schäden – ob durch Hochwasser, Hagel oder Hitze – immer ausgeglichen werden, bemühen sich nicht mehr um eine vernünftige Vorsorge. Verbraucher, die wissen, dass sie die Landwirtschaft ohnehin mit ihrem Steuergeld unterstützen, bestehen im Gegenzug auf billige Ware. Es entsteht ein Kreislauf, der immer höhere Subventionen fordern wird. Nun ist ein Bauernhof nicht ganz mit einer Tischlerei vergleichbar. Auf den Tisch kann man notfalls verzichten, auf das Getreide nicht. Deswegen ist es richtig, dass der Staat denen Geld zuschiebt, die der Ernteausfall an den Rand des Ruins treibt. Denn schließlich haben diese Landwirte in der Regel ihr Geld nicht sinnlos verprasst, sondern in die Zukunft ihres Hofs gesteckt. Doch statt auch allen anderen Landwirten die Kasse zu füllen, sollte ihnen vielmehr die Möglichkeit gegeben werden, ihre Kassen wieder selbst zu füllen.
Zum einen, indem endlich die von den Landwirten selbst geforderte, steuerfreie Risikoausgleichsrücklage umgesetzt wird. Denn als Landwirt weiß man, dass Ernten auch schlecht ausfallen könnten. Also muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, für diesen Zweck Geld zurückzulegen. Zum anderen muss der Preiskampf um Lebensmittel ein Ende finden. Es kann nicht sein, dass ein Brot nach der Dürre noch das Gleiche kostet wie vor der Dürre. Denn die Differenz zwischen Produktionskosten und Erlös trägt der Landwirt. Hier kann und sollte man auch den Verbraucher in die Pflicht nehmen. Und an seine Moral appellieren, um zu verhindern, dass er stattdessen zur billigeren Import-Ware greift. Wie das gehen kann, zeigte im vergangenen Jahr die niedersächsische Saft-Firma „Becker’s Bester“. Wegen der schlechten Apfel-Ernte fielen die Produktionskosten höher aus. „Becker’s Bester“ erhöhte daraufhin den Preis für die Saft-Sorte – und druckte einen freundlichen Erklärtext auf den Karton. Vermutlich wegen dieses Textes landete der Saft schließlich doch im Einkaufwagen – weil den Kunden die Krise plötzlich ganz nah gekommen war.