Die Ära der klassischen Verbrennungsmotoren neigt sich dem Ende zu. Das setzt nicht nur die Automobilhersteller unter Zugzwang, sondern auch die Zulieferbranche. Viele Firmen müssen sich komplett neu erfinden, während das bestehende Geschäft derzeit unter den Folgen der Corona-Pandemie und Lieferengpässen leidet. Zehntausende Arbeitsplätze könnten dieser Entwicklung allein in Niedersachsen zum Opfer fallen. „Durch fehlende Fahrzeugeinkäufe und unterbrochene Lieferketten sind die Umsätze in der Automobilindustrie stark eingebrochen. Das Wachstumshemmnis Nummer eins ist der Halbleitermangel, der wahrscheinlich noch bis ins Jahr 2023 hineinwirkt“, sagt Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Damit die Zuliefererbranche in dieser Krise noch Spielraum für Innovationen hat, stehen den Unternehmen in einem Beteiligungsfonds von Land und Niedersachsen-Metall seit gestern insgesamt 40 Millionen Euro zur Verfügung.

Volker Schmidt (links) und Bernd Althusmann stellen den Beteiligungsfonds NTransformation vor. | Foto: Michael Wallmüller

„Die Automobilindustrie ist deutschlandweit von besonderer Bedeutung für den Standort. Jeder dritte Industriearbeitsplatz ist direkt oder indirekt von ihr abhängig“, erläuterte Althusmann gestern und unterstrich die Notwendigkeit des Beteiligungsfonds „NTransformation“. Insgesamt 250.000 Menschen sind allein in Niedersachsen in der Autoindustrie beschäftigt, davon 130.000 bei den Zulieferern, sagte der Minister. In Wolfsburg sei sogar beinahe jeder zweite Arbeitsplatz (46 Prozent) der Automobilindustrie zuzuordnen. In Emden sind es noch 27 Prozent, in Salzgitter 23 Prozent. Ob diese Standorte auch zukünftig wettbewerbsfähig sind, entscheidet laut Althusmann vor allem deren Innovationsfähigkeit. „Die chinesischen Hersteller von Elektroautos sind mindestens auf Augenhöhe und werden Fahrzeuge auf den Markt bringen, die unterhalb des in Europa üblichen Preisniveaus liegen“, mahnte der Wirtschaftsminister. Aus seiner Sicht müsse die deutsche Automobilindustrie deswegen bei alternativen Antrieben, neuen Fahrzeugkomponenten und digitalen Services durch bessere Angebote überzeugen. Das Problem dabei: „Transformation bedeutet den Aufbau neuer Geschäftsfelder die anfangs wenig oder gar keine Rendite abwerfen“, so Althusmann.

Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. | Foto: Wallmüller

„Unsere Zuliefererindustrie steht vor nie gekannten Herausforderungen“, bestätigte auch Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsen-Metall. 2015 lag die Zahl der in Deutschland produzierten Autos noch bei 5,71 Millionen. Für 2021 rechnet der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) nur mit knapp 2,9 Millionen. „Das ist eine Halbierung des Marktvolumens und stellt viele Zulieferer vor ein existenzielles Problem“, sagte Schmidt. Mit 10 Millionen Euro beteiligt sich sein Verband über die Norddeutsche Wirtschaftsholding an dem Beteiligungsfonds. Die übrigen 30 Millionen Euro sind bereits im März dieses Jahres vom Land bewilligt worden. Anträge auf Kapitalbeteiligung können aber erst seit gestern gestellt werden.

Wie funktioniert der Beteiligungsfonds? Automobilzulieferer mit Geschäftssitz in Niedersachsen können eine Kapitalbeteiligung zwischen 0,5 bis 5 Millionen Euro beantragen. „Wir verteilen das Geld nicht mit der Bazooka, sondern werden den Unternehmen sehr gezielt helfen“, sagte Althusmann. Die Mittel aus dem Fonds stehen für kleine, mittlere und auch große Firmen jenseits von 280 Mitarbeitern bereit. Über die Vergabe des Beteiligungskapital entscheiden Vertreter von Land und Wirtschaft zusammen. Die Fondsverwaltung läuft über eine Tochtergesellschaft der N-Bank. Zielgruppe sind Zulieferunternehmen mit positiven Zukunftsaussichten, aber einem durch Corona verursachten Liquiditätsbedarf. „Es geht nicht um Sanierungsfälle und wir fördern keine Unternehmen bei unveränderter Ausrichtung“, stellte Schmidt klar.

Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsen-Metall. | Foto: Wallmüller

Die Mittel aus dem Fonds sind als Anschubhilfe gedacht. „Wir stellen Eigenkapital bereit, das wiederum hilft, zusätzliches Fremdkapital zu mobilisieren“, sagte Schmidt. Er geht davon aus, dass aus der dadurch entstehenden Hebelwirkung die Unternehmen insgesamt rund 400 Millionen Euro akquirieren können. Althusmann betonte, dass es sich hier nicht wie bei anderen Corona-Hilfen um einen Zuschuss handelt. Die Unternehmen müssen das investierte Geld nach sieben bis zwölf Jahren wieder verzinst an den Beteiligungsfonds zurückzahlen. „Unser Gewinn liegt aber vor allem darin, dass wir moderne, rentable Wertschöpfung in Niedersachsen halten“, sagte Schmidt und fügte hinzu: „Es geht uns hier um ein klares Standortbekenntnis. Niedersachsen darf nicht zum Verlierer der Transformation werden.“