SPD und CDU wollen, dass Kindesmissbrauch nicht mehr verjährt
Nach den Vorfällen von organisiertem Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz in Lügde, bei dem auch Verfehlungen des Jugendamtes im Kreis Hameln-Pyrmont einen großen Anteil hatten, ist die Debatte über eine Strafverschärfung auch im niedersächsischen Landtag aktuell. Just zu einer von der CDU beantragten aktuellen Debatte wurden gestern neue dramatische Zahlen aus Nordrhein-Westfalen bekannt – Spuren führen zu bis zu 30.000 Tätern bei einem Netzwerk, das mit Kinderpornographie handelt.
Die Sprecher der Koalition, Uwe Schünemann (CDU) und Wiebke Osigus (SPD), forderten ein ganzes Bündel an rechtlichen Veränderungen. Osigus hob dabei vor allem auf ihre – auch in eigenen Reihen nicht unumstrittene – Forderung nach einer Abschaffung der Verjährung bei schweren Kindesmissbrauch ab. „Bislang steht der Kindesmissbrauch auf einer Stufe mit Diebstahl oder Beleidigung. Das darf nicht so bleiben. Das Strafmaß muss angehoben werden – und eine Verjährung darf es nicht mehr geben, sie gehört abgeschafft“, sagte die SPD-Politikerin. Sie sprach gleichzeitig von „vielen Bedenken“, die sie „beim Koalitionspartner und im Justizministerium“ kennengelernt habe. Die CDU habe sich aber in die richtige Richtung bewegt.
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SPD: Verjährung von Kindermissbrauch muss abgeschafft werden
Justizministerin Barbara Havliza (CDU) ging darauf ein, ließ aber auch nicht unerwähnt, dass die Vorbehalte gegenüber einer Abschaffung der Verjährung auch bei anderen Justizministern herrschten – sogar auch im von Christine Lambrecht (SPD) geführten Bundesministerium. Havilza erklärte, mit Ausnahme von Mord würden alle Strafen der Verjährung unterliegen – auch deshalb, weil nach vielen Jahren kaum noch Beweismittel vorlägen und die Erinnerungen der Opfer und Zeugen verschwimmen. Sie sei offen für Gespräche darüber, ob auch Kindesmissbrauch nicht mehr verjähren soll.
Havliza: „Das Thems ist juristisch komplex“
Die Ministerin erklärte jedoch, dieses Thema sei „juristisch komplex“. Wenn der Missbrauch lebenslang strafbar bleibe, stelle sich die Frage zum Vergleich zu Totschlag oder Vergewaltigung. Die Gefahr bestehe, dass die Vergewaltigung eines 14-jährigen Mädchens verjähre, die ihrer 13-jährigen Freundin aber nicht. Zudem würden bereits heute lange Verjährungsfristen gelten, denn diese starte erst, wenn das Opfer das 30. Lebensjahr vollendet habe – und könne dann auf eine bis zu 40 Jahre dauernde Frist verlängert werden.
Die Justizministerin befürwortet die Erhöhung der Strafrahmen bei Missbrauch, eine Verpflichtung zur Anzeige und den Aufbau von Beratungsstellen. In der Praxis seien es oft enge Angehörige wie Väter, Stiefväter oder Onkel, die als Täter auftreten. Havliza ist ebenfalls dafür, die Strafen für die Verbreitung von Kinderpornographie zu erhöhen und die strafprozessualen Kompetenzen der Ermittler zu stärken.
Opposition regt weitere Schritte an
Der CDU-Politiker Schünemann hatte mehrere Schritte gefordert: Online-Durchsuchung bei Kinderpornographie-Verdacht solle erlaubt werden, die Provider sollten IP-Adressen bei Verdacht den Behörden melden müssen, eine „Vorratsdatenspeicherung light“ solle möglich werden, obwohl EU-weit die eigentliche Vorratsdatenspeicherung wegen dort ungeklärter Rechtsfragen noch auf Eis liege. Schünemann und Osigus sind außerdem dafür, die bisherige Regel aufzuheben, dass Sexualgewaltdelikte nach zehn Jahren aus dem polizeilichen Führungszeugnis gestrichen werden.
Klaus Wichmann (AfD) meinte, die beste Abschreckung gegen Täter sei „eine höhere Entdeckungswahrscheinlichkeit“. Deshalb dürfe der Datenschutz bei den Ermittlungen nicht höher gewertet werden als der Kindesschutz. Marco Genthe (FDP) forderte eine personelle Aufstockung von Polizei und Justiz, die in diesem Bereich ermitteln. Er und Susanne Menge (Grüne) plädierten für einen engeren Informationsaustausch zwischen Kindergärten, Schulen und Kinderärzten. Jedem frühen Verdacht müsse nachgegangen werden.