Soll nach der Corona-Krise auf breiter Front das Landesrecht entschlackt werden und sollen Verfahrensabläufe beschleunigt werden? In dem Gesetzentwurf, der gegenwärtig in den Gremien des Landtags beraten wird, sind dazu einige Vorschläge enthalten. So wird dort empfohlen, in Notsituationen die kommunalen Ausschüsse auch per Video-Konferenzen und nicht – wie bisher – zwingend mit der körperlichen Präsenz aller Teilnehmer tagen zu lassen. Ebenso ist die Verlagerung der Kompetenzen vom Rat oder Kreistag auf den Hauptausschuss und im weiteren sogar auf den Bürgermeister oder Landrat vorgesehen, ebenfalls die Festlegung bestimmter Fragen per Umlauf-Beschluss – also per schriftlicher Bestätigung durch jedes Mitglied. Auch für die Arbeit der Personalräte, die die Mitarbeiter in den Landes- und Kommunalbehörden gegenüber der Behördenleitung vertreten und die Mitbestimmung sicherstellen, soll auf diese Weise die Arbeit verändert und mit Video-Tagungen und Umlaufverfahren ergänzt werden.


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Offen bleibt bisher, an welche Bedingungen diese Ausweichformen geknüpft werden sollen. Der Gesetzentwurf der Koalition sieht für die kommunalen Gremien vor, die Ausnahmen ausschließlich auf eine „epidemiologische Lage“ zu beschränken. Mit Bezug auf die Sonderregeln des Personalvertretungsgesetzes erklärte Referatsleiter Andreas Ribbeck aus dem Innenministerium, man könne diese auch bei „außergewöhnlichen Notsituationen“ greifen lassen. Allerdings mahnte an dieser Stelle der Vertreter der unabhängigen Landtagsjuristen, des „Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes“ (GBD), diese „Notsituationen“ seien ein „unbestimmter Rechtsbegriff“ und daher weit dehnbar.

Die Vertreter der Koalition stoppten daraufhin die Debatte. „Wir müssen aufpassen, dass wir jetzt nicht unter dem Deckmantel von Corona alle möglichen Reformfragen festlegen“, betonte Sebastian Lechner (CDU). Das Corona-Gesetz, das die Abweichung von üblichen Vorschriften ermögliche, solle jetzt „nur auf die Lage einer Epidemie“ begrenzt werden. Die anderen Fragen, ob man Abläufe der Kommunalverfassung ändere, im Personalrecht oder auch im Katastrophenschutz, müsse man „gründlich, aber nicht in einem Schnellverfahren klären“. Ulrich Watermann (SPD) ergänzte, er sei gar nicht sicher, ob die derzeit als vorteilhaft empfundene Form von Video-Konferenzen der richtige Weg einer Arbeitserleichterung sei. „Ich jedenfalls bespreche komplizierte Sachverhalte viel lieber, wenn mir die Person direkt gegenübersitzt.“

Drei Katastrophen-Stufen geplant: Mit dem Corona-Gesetz soll bereits ein Eskalationsmodell für Katastrophenfälle gesetzlich verbindlich werden: Zunächst beginnt ein „Voralarm“, mit dem die Vorbereitung für Hilfseinsätze starten kann, dann das „außergewöhnliche Ereignis“, das etwa einen Landrat berechtigt, Hilfe vom Land anzufordern, schließlich dann der Katastrophenalarm, der dem Landrat die Befehlsgewalt überträgt. Auch eine Vorschrift für die Übertragung der Befehlsgewalt auf das Innenministerium bei landesweiten Notlagen ist im Gesetz vorgesehen.

GBD sieht Gewaltenteilung verletzt: Scharfe Kritik übte Dennis Miller von den unabhängigen Landtagsjuristen am Plan der Koalition, dass der Landtag als Auslöser für die Regeln des Corona-Gesetzes eine förmliche Feststellung treffen soll. Diese sieht laut Entwurf vor, es gäbe eine „Epidemie mit landesweiter Tragweite“. Miller betonte, eine derartige Erkenntnis könne nur die vollziehende Gewalt haben, also die Regierung. Daher maße sich der Landtag ein Recht an, das ihm laut Gewaltenteilung gar nicht zustehen könne. Zwar gebe es eine Entsprechung auf Bundesebene, denn auch der Bundestag stellt förmlich den Verteidigungsfall fest, falls es einen Krieg gibt. „Das aber steht ausdrücklich im Grundgesetz“, meinte Miller und betonte, auf Nummer sicher könne der Landtag nur gehen, wenn er sein Recht zur Feststellung einer „epidemiologischen Lage“ ausdrücklich in die Landesverfassung schreibe. Wie Lechner von der CDU und Watermann von der SPD erklärten, will die Koalition die Bedenken des GBD auf andere Weise entkräften: Nur die Landesregierung solle die Befugnis zum Antrag an den Landtag haben, eine solche Notsituation festzustellen. „Unser Vorschlag war deshalb so gefasst, weil wir als Parlamentarier die Beteiligung der Volksvertretung nicht völlig außen vor lassen wollten“, erklärte Watermann.