SPD-Politikerin will Parität im Bundestag einführen
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Yasmin Fahimi aus Hannover hat im Bundestag einen weitreichenden Vorstoß gewagt – doch sie stößt damit beim Koalitionspartner CDU/CSU nicht auf große Begeisterung.
Gegenwärtig versuchen alle Fraktionen im Bundestag hinter den Kulissen, sich auf eine Reform des Wahlrechts zu verständigen. Die Zeit drängt offenkundig. Bis März, heißt es intern, will man Ergebnisse sehen. Jahrelang vorher waren verschiedene Einigungsversuche gescheitert, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat bisher ebenso wenig einen Kompromiss erreichen können wie sein Vorgänger Norbert Lammert.
Es geht um den Versuch, nach der nächsten Bundestagswahl 2021 eine „Aufblähung“ des Bundestages auf 800 oder noch mehr Abgeordnete (derzeit sind es 709) zu verhindern. Wenn das Wahlrecht unverändert bliebe, droht bei der derzeitigen Lage der Umfragen tatsächlich eine erhebliche Vermehrung der Mandate. Das wollen aber CDU/CSU und SPD, Grüne, FDP und AfD verhindern. Der Weg dahin ist allerdings schwer, verschiedene Interessen prallen aufeinander.
Nun hat Fahimi in einer aktuellen Bundestagsdebatte gefordert, bei der anstehenden Reform noch ein anderes, aus ihrer Sicht mindestens ebenso wichtiges Thema zu klären – die Stärkung der Repräsentanz von Frauen im Parlament. Dieser liegt derzeit bei 30,7 Prozent. Im Landtag liegt er übrigens bei nur 29,2 Prozent.
Kann sie die CSU einem Kompromiss öffnen?
Die Sache mit dem Bundestagswahlrecht ist verhext: Planmäßig besteht das Parlament aus 299 in den Wahlkreisen gewählten Abgeordneten (de facto vor allem CDU-Politiker, in Niedersachsen auch viele SPD-Politiker) und 299 Abgeordneten, die über ihre Liste kommen. Da am Ende die Kräfteverteilung so sein soll, wie sie nach der Listenwahl vorgegeben ist, gibt es Ausgleichsmandate. Ein Übergewicht der CDU/CSU bei den Wahlkreisen muss dann mit besonders vielen Ausgleichsmandaten abgedeckt werden. Wenn die Union als überragende Wahlkreissiegerin nur bei rund 30 Prozent liegt und viele kleinere Listen im Parlament vertreten sind, wird der Effekt noch größer.
Grüne, FDP und Linke schlagen daher vor, die Zahl der Wahlkreise zu verringern, sie also größer zu schneiden. Während die SPD und auch die CDU sich zunehmend damit anfreunden kann, bremst bisher die CSU, die in Bayern alle Wahlkreise errungen hat. Ein Vorschlag von Lammert und später auch von Schäuble, 29 Wahlkreise zu streichen und ebenso 15 Ausgleichsmandate nicht vorzusehen, stieß bei der Opposition auf Widerstand.
Intern heißt es jetzt, man könne anstelle von 29 vielleicht 20 Wahlkreise opfern und auch die 15 Ausgleichsmandate. Das hieße dann vermutlich, dass von den 30 niedersächsischen Wahlkreisen zwei wegfielen, in Bayern ebenfalls zwei oder drei von den bisher 46. Spekuliert wird nun, dass die CSU sich womöglich doch noch einem solchen Kompromiss öffnen könnte.
Fahimi will Repräsentanz der Frauen stärken
Der Vorstoß von Fahimi geht zumindest teilweise in diese Richtung, da die SPD-Abgeordnete vor wenigen Tagen im Bundestag auffällig deutlich von einer zu starken Verringerung der Zahl der Wahlkreise abriet. Die niedersächsischen Wahlkreise Diepholz-Nienburg, Rotenburg-Heidekreis oder Cuxhaven-Stade seien heute schon bis zu 2700 Quadratkilometer groß, und würde die Fläche auf mehr als 3000 Quadratmeter anwachsen, könnten direkt gewählte Abgeordnete das Gebiet kaum noch angemessen betreuen. Den Druck, nun zügig eine Aufblähung des Bundestages zu unterbinden, sieht Fahimi nicht, in anderen Ländern wie Frankreich oder Italien leiste man sich viel größere Parlamente. Aber eine „ernsthafte Wahlrechtsreform“ muss nach Ansicht der SPD-Abgeordneten auch bei der Stärkung der Frauenrepräsentanz ansetzen.
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Es sollten nur noch Landeslisten zugelassen werden, auf denen die Hälfte der Kandidaten weiblich ist (abwechselnd Frau und Mann auf den Plätzen). Wenn Überhangmandate ausgeglichen werden müssten, sollten zudem nur die weiblichen Namen auf den Listen zum Zuge kommen, weil diese das schwächer vertretende Geschlecht sind.
Auch die Verlängerung der Bundestags-Wahlperiode von derzeit vier auf fünf Jahre schlägt Fahimi vor. Konfrontiert mit dem Gedanken, die Förderung der Parität mit der nun nötigen Wahlkreisreform auf Bundesebene zu verknüpfen, reagiert der Harburger CDU-Politiker Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betont reserviert: „Es wäre höchst unklug, die Parität in diese ohnehin schon schwierigen Verhandlungen einzubringen.“
Die Zeit für die Wahlrechtsreform auf Bundesebene drängt, denn schon im Sommer können die ersten Kandidaten für die nächsten Bundestagswahlen (die wohl im September 2021 sein werden) aufgestellt werden. Bis dahin muss ein verbindliches Wahlsystem vorliegen.