SPD-Politiker Pantazis wirbt für eine „kleine Region“
Die lange Zeit in der Landespolitik ausgeblendete Frage einer Neuordnung der kommunalen Grenzen wird nun plötzlich wieder aktuell. Kurz nach dem überraschenden Beschluss des Kreistages in Helmstedt von vergangener Woche, mit benachbarten Kommunen Gespräche über einen Zusammenschluss zu führen, meldet sich der Vize-Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion und Braunschweiger SPD-Unterbezirksvorsitzende Christos Pantazis zu Wort. „Dies kann der Auftakt sein zur Bildung einer kleinen Region aus Braunschweig, Wolfenbüttel, Helmstedt und Wolfsburg“, sagte Pantazis auf Anfrage des Politikjournals Rundblick. Er selbst, betonte Pantazis, sei „ein Freund einer solchen verfassten Region“, gleichzeitig sei aber auch die Aussage der Landesregierung richtig, dass eine Gebietsreform „nicht von oben vorgegeben wird, sondern von unten wachsen muss“. Die Braunschweiger SPD werde jedenfalls „die Debatte anschieben“ und dafür werben, „das noch immer verbreitete Kirchturmdenken zu überwinden“.
Dies kann der Auftakt sein zur Bildung einer kleinen Region aus Braunschweig, Wolfenbüttel, Helmstedt und Wolfsburg.
Mit dieser neuen Position deutet sich ein Wiederaufflammen der seit vielen Jahren virulenten Debatte über die kommunale Neuordnung im Braunschweiger Raum an. Im Osten Niedersachsens herrscht auf relativ kleinem Raum ein Nebeneinander vieler verschiedener, teilweise kleiner und problembehafteter Einheiten: Das sind die drei kreisfreien Städte Braunschweig, Wolfsburg und Salzgitter neben den Landkreisen Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel. In jüngster Zeit verschärft sich bei allen Verwaltungen das Problem, für freie Plätze in qualifizierten Tätigkeiten geeignete Bewerber zu finden. Außerdem werden in den eng geschnittenen Gebieten Braunschweig und Wolfsburgs die Plätze für neue Gewerbegebiete knapp. Vor einigen Jahren indes waren es vor allem die Fragen der Finanzknappheit und der schrumpfenden Bevölkerung, die den Druck zu Reformen aufbauten. Der frühere Braunschweiger Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU), der die Abschaffung der Bezirksregierungen im Jahr 2005 bedauert hatte, stritt über viele Jahre für eine „Region Braunschweig“ als Gegengewicht zur Region Hannover (die 2001 aus der Stadt und dem damaligen Landkreis Hannover gebildet wurde). Hoffmann wollte die drei Großstädte und fünf Landkreise miteinander verzahnen zu einem einzigen Kommunalgebilde. Damit stieß er jedoch bei der damaligen CDU/FDP-geführten Landesregierung in Hannover auf wenig Wohlwollen. 2011 wurde über die Fusion des Kreises Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg verhandelt, ein Gutachten zeigte Wege zur Verwirklichung auf. Doch im November 2013 ließ Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Gespräche scheitern – wohl auch wegen eines Vetos einflussreicher Braunschweiger Politiker. Sie befürchteten eine zu starke Konkurrenz einer um den Kreis Helmstedt erweiterten Stadt Wolfsburg. Danach soll es die Wolfenbütteler Landrätin gewesen sein, die den Versuch einer Fusion von Wolfenbüttel und Helmstedt im Keim erstickte.
Im Herbst 2018 beschloss der Rat der Stadt Wolfsburg, die Amtszeit von Oberbürgermeister Klaus Mohrs (SPD) bis Herbst 2021 zu verlängern. Das ging aber nur, weil der Rat Mohrs gleichzeitig mit Fusionsgesprächen beauftragte. Gerätselt wird, ob das Argument nur vorgeschoben wurde, da die Wolfsburger SPD keinen geeigneten Nachfolgekandidaten für den 66-jährigen Mohrs hatte. Seit kurzem stößt Mohrs‘ Angebot auf Interesse. Der Kreistag von Helmstedt beschloss mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP/UWG, der Landrat solle mit benachbarten Kommunen „über einen verfassungskonformen interkommunalen Zusammenschluss“ zu reden. Landrat Gerhard Radeck (CDU) war zwar dagegen (ebenso wie die CDU, die AfD und die Linke), doch er muss den Beschluss nun umsetzen – und tut das auch, wie er auf Rundblick-Anfrage sagte, durchaus gern: „Ich habe immer gesagt, dass ich derzeit keinen Handlungsbedarf für eine Fusion sehe. Das kann sich aber ändern, wenn die Rahmenbedingungen sich verändern“, erklärte Radeck dem Rundblick. Er werde jetzt die Möglichkeiten „ausloten“.
„Erfreuliche Debatte um Fusionen“
Pantazis meint, für eine singuläre Lösung zwischen Wolfsburg und Helmstedt sehe er keinen Raum, die „kleine Region“ aber sei möglich – da wären dann Braunschweig und Wolfenbüttel auch dabei. Der Landesbeauftragte für den Braunschweiger Raum, Matthias Wunderling-Weilbier, kommentierte die Bewegung mit den Worten „es ist erfreulich, dass die Kommunalpolitiker aufeinander zugehen und über Fusionen nachdenken“. Der Wolfsburger SPD-Ratsfraktionschef Ingolf Viereck sagte: „Der Helmstedter Beschluss ist ein Startsignal zur positiven Weiterentwicklung der Region.“ Allerdings konkurriert die von Pantazis favorisierte Variante mit einer anderen, die schon vor fünf Jahren vom Salzgitteraner Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) vorgetragen wurde: Demnach würden Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg miteinander verschmelzen – und Teile der Kreise Helmstedt und Peine übernehmen. Der Rest von Helmstedt könne mit Wolfenbüttel und Goslar zusammengehen, der Rest von Peine mit Hildesheim oder mit Gifhorn. Da Helmstedts Landrat Radeck aber betont, sein Kreisgebiet nicht aufspalten zu wollen, gilt das Klingebiel-Modell gegenwärtig als wenig aussichtsreich. Der OB von Salzgitter selbst lehnte es auf Rundblick-Anfrage ab, derzeit öffentlich zu der Debatte Stellung zu beziehen.