SPD legt Vorschläge für ein „Paritätsgesetz“ vor
Im neuen Jahr will die niedersächsische SPD die Diskussion über eine stärkere Repräsentanz von Frauen in den politischen Vertretungen und Parlamenten forcieren. Dazu empfiehlt jetzt ein Arbeitskreis des Landesverbandes unter Leitung der Landtagsabgeordneten Petra Tiemann (Stade) eine Reform des Landeswahlgesetzes. Statt bisher 87 soll es nur noch 50 Landtagswahlkreise geben – dafür soll dann jeder Wahlkreis aber zwei Direktmandate in das Parlament entsenden, eine Frau und einen Mann.
In der kommenden Woche will die SPD ihre Vorschläge mit Verbänden, Gewerkschaften und Frauenorganisationen diskutieren. Wie Tiemann im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick erklärte, stellt die SPD aber noch eine zweite Variante zur Diskussion: Es bliebe beim gegenwärtigen Zuschnitt der 87 Wahlkreise, aber jede Partei mit einem Übergewicht an männlichen Direktkandidaten dürfte dann bei den Listenmandaten, die hinzukommen, so lange nur Frauen zum Zuge kommen lassen, bis die 50-50-Parität in der Fraktion erreicht ist.
Vorausgesetzt wird in der SPD-Debatte, dass künftig alle Parteien ihre Landeslisten nach dem „Reißverschlussverfahren“ aufstellen. Auf jeden männlichen muss also ein weiblicher Bewerber folgen. Bisher verfahren SPD, Grüne und Linkspartei schon nach diesem Prinzip, FDP und AfD nicht. Die CDU hat bisher die Drittelparität (auf jeden dritten Platz muss eine Frau), diskutiert aber auch dort das „Reißverschlussverfahren“. Die neuen SPD-Vorschläge beziehen sich nun vor allem auf die Wahlkreise. Im Detail legt die SPD-Kommission drei Modelle vor. Sie sehen so aus:
Getrennte Direktmandate: Die Zahl der Wahlkreise soll von 87 auf 50 schrumpfen, das heißt, dass sich die Wahlkreisfläche erheblich vergrößert. Der Wähler soll bei der Landtagswahl drei Stimmen abgeben – eine Zweitstimme für die Sitzverteilung der Fraktionen, eine Stimme für den männlichen Direktkandidaten und eine Stimme für den weiblichen. Der Ausgleich läuft wie bisher: Jede Partei hat ihre Direktkandidaten sicher im Parlament, über die Listen werden die Mandate aller Parteien anschließend so aufgefüllt, dass die Relation des Zweitstimmenergebnisses erzielt wird.
Bei diesem Modell wäre es möglich, dass ein Mann von der CDU und eine Frau von der SPD gewinnen – sie wären dann zu zweit Wahlkreisabgeordnete. Da die Fläche jedes Wahlkreises größer wäre als bisher, besteht die Gefahr, dass abgelegene Randbereiche nicht wie bisher betreut werden. Daher wäre es überlegenswert, dass die beiden Wahlkreisabgeordneten nach der Wahl das Wahlkreisgebiet unter sich aufteilen müssen und der eine beispielsweise für den Süden und der andere für den Norden zuständig wird. Eine solche Aufteilung könnte auch per Los festgelegt werden.
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Direktmandate-Duos: Das Modell wäre ähnlich, wieder basierend auf 50 Wahlkreisen. Der Wähler hätte aber wie bisher nur zwei Stimmen, seine Zweitstimme und eine Stimme, mit der er ein Duo Mann/Frau einer Partei als Direktkandidaten wählt. Das siegreiche Duo wäre dann verpflichtet, sich zusammenzuraufen. Das wird schwierig bei umstrittenen Vorhaben, wenn der Mann sich für die Wirtschaftsförderung und die Frau sich für Naturschutz einsetzt und beide gegensätzliche Haltungen in Sachfragen vertreten.
Wer spricht dann für den Wahlkreis? In der Praxis ist das womöglich weniger dramatisch, da Wahlkreisabgeordnete ja keine Entscheidungsgewalt für den Wahlkreis haben, sondern lediglich als Kommunikatoren wirken. Wichtig wäre hier auch eine „Huckepack-Regel“ für den Fall, dass einer der beiden Direktkandidaten aus dem Parlament ausscheidet. Dann müsste für jede gewählte Frau eine Nachrückerin bereitstehen, für jeden Mann ein Nachrücker. Das heißt: Die Parteien hätten ein sehr viel kompliziertere Kandidatenaufstellung zu leisten.
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Ausgleichsmodell: Es bleibt bei den 87 Wahlkreisen, dort dürfen die Parteien auch – wie bisher – einen Mann oder eine Frau nominieren. Die Veränderung tritt im nächsten Schritt ein, wenn nach der Verteilung der Direktmandate das Parlament mit Listenmandaten gefüllt wird. Stehen einer Partei 40 Mandate zu und sie hat 30 Direktmandate gewonnen, so wird geprüft, wie dort die Geschlechterverteilung ist. Hat die Partei 20 Männer als Direktkandidaten und zehn Frauen, so dürften über die Liste nur zehn Frauen nachrücken und kein Mann – weil nur so die 50-50-Parität in der späteren Fraktion gesichert würde. Die Männer auf der Landesliste blieben also unberücksichtigt.
Hat eine Partei nicht genug weibliche Kandidaten auf ihrer Liste, so blieben die ihr zustehenden Plätze unbesetzt. Die Frage ist allerdings, ob sich eine solche gezielte Bevorzugung von Frauen bei der Verteilung der Listenmandate mit der Organisationsfreiheit der Parteien verträgt. Immerhin gibt es in Artikel 3 des Grundgesetzes einen Auftrag an den Staat, „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau hinzuwirken.