TagesKolumne: Spatenstich top, Erbsen flop
Stellen Sie sich vor, es ist Spatenstich – und keiner darf weiterbuddeln. Genau dieses Kuriosum spielt sich gerade in Groß Munzel (Region Hannover) ab, nachdem Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte im November noch schwungvoll den offiziellen ersten Schaufelhub für eine Erbsenproteinfabrik vollführt hatte. Doch jetzt hat Nordzucker den Bau abrupt gestoppt. Und in der Welt der symbolträchtigen Politikerauftritte ist nichts mehr so wie es war.
Erfahrene Baupolitiker wissen: Ein guter offizieller Spatenstich will gelernt sein. Bevor das Gerät den Boden trifft, formieren sich Minister, Bauherren, Bürgermeister und andere Ehrengäste akribisch nebeneinander, als stünden sie auf den Startblöcken eines Schwimmrennens. Sobald die Bauleitung das Startsignal gibt, wird der Spaten im richtigen Winkel und mit genügend Schwung ins Erdreich gerammt. Dann kommt der Moment, der zählt: Der Aushub wird stolz in Richtung der Kameras katapultiert – möglichst ohne allzu viele Fotografen zu treffen. Wer ungefragt dazwischengräbt, bekommt die gelbe Karte. Und weil heute alles gefilmt wird, kann ein späterer Videocheck den ganzen Stich sogar nachträglich kassieren. Ist das vielleicht in Groß Munzel passiert?
Wahrscheinlicher ist doch eher die Erklärung, dass der Markt für Erbsenproteinprodukte einfach nicht so richtig in Fahrt kommt. Die Idee klingt zwar gut: nachhaltige, pflanzliche Ernährung, dazu das gute Gewissen, mit jedem Bissen die Welt ein kleines Stück zu retten. Doch die Realität schmeckt oft anders. Wer einmal einen „Plant-Hotdog“ im Schwedenbistro bei Ikea probiert hat, weiß, dass die Reise zur fleischlosen Perfektion noch etwas holprig ist.
Am Ende hat das Erbsenprotein mit der Elektromobilität einiges gemeinsam: Beide versprechen eine bessere Zukunft, scheitern aber oft an den hohen Erwartungen und der zähen Realität. Visionen allein reichen nicht, wenn der Markt noch nicht bereit ist. In Groß Munzel rollt jedenfalls erstmal nichts – weder die Bagger noch die E-Autos. Vielleicht braucht der Fortschritt einfach mehr Zeit – oder einen zweiten Anlauf mit neuem Schwung.
Von der weichen Erbse geht es zurück zu den harten Fakten. Nach dem kleinen Abstecher in die Welt der Baustopps und Symbolpolitik kommen wir zu den Themen der heutigen Ausgabe:
◼ Autozulieferer: Die IG Metall und große Automobilzulieferer fordern eine Abkehr vom alleinigen Fokus auf Elektromobilität. Stattdessen soll eine technologieoffene Strategie verfolgt werden, um CO₂-Reduktion im Verkehr schneller zu erreichen.
◼ Schuldenbremse: DGB-Landeschef Mehrdad Payandeh fordert, die Schuldenbremse vor der nächsten Bundestagswahl zu reformieren. Öffentliche Investitionen sollten gezielt von der Kreditobergrenze ausgenommen werden.
◼ Kirchentag: Der Evangelische Kirchentag wird im Mai in Hannover rund 1500 Veranstaltungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen bieten. Dabei soll unter anderem über Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Verantwortung debattiert werden.
Viel Spaß beim Lesen wünscht
Ihr Christian Wilhelm Link
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
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