Die Sozialvertragspartner Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und die Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN) rüsten sich für den bevorstehenden Wahlkampf – und liefern sich eine heftige Auseinandersetzung über die Altersversorgung. Mit einer Studie will der DGB seine Forderung nach einer Rentenniveauerhöhung unterstreichen, die UVN halten dagegen und bezeichnen die Daten als „Angstszenarien“. Die Deutsche Rentenversicherung Bund warnt davor, nur auf das Rentenniveau zu schauen und die Beitragsentwicklung zu vernachlässigen. Der Vorsitzende des DGB in Niedersachsen, Hartmut Tölle, kündigte bei der Vorstellung eines „Rentenreports für Niedersachsen“ an, das Gespräch mit den Spitzenkandidaten der Parteien suchen und auf sie einwirken zu wollen, das Thema Rente in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung auf die Agenda zu setzen.

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Dem Report zufolge gab es im Jahr 2015 in Niedersachsen rund 1,86 Millionen Rentner, das entspricht einem Anteil von 23,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Damit sind Niedersachsens Einwohner tendenziell jünger als der Bundesdurchschnitt, in dem genau ein Viertel der Bevölkerung Rente bekommt. Männer, die vor 2015 zu arbeiten aufgehört haben, erhalten im Schnitt 1.105 Euro, Frauen 575 Euro. Mit der jüngsten Rentenreform ist die Rente für Frauen leicht gestiegen, um zwölf Euro im Durchschnitt. Wer die neue Mütterrente in Anspruch nehmen kann, bekommt sogar 64 Euro mehr. Die Männer, die 2015 Rentner geworden sind, erhalten dagegen im Durchschnitt 43 Euro weniger. Der DGB argumentiert, dass die Renten in den vergangenen Jahren zwar gestiegen seien, doch inflationsbereinigt sei das verfügbare Einkommen gesunken. So hätten Frauen im Vergleich zum Jahr 2000 nur 37 Euro mehr erhalten, Männer dagegen einen Verlust von 160 Euro gemacht, obwohl die Rente um 100 Euro gestiegen sei. Zudem steigt die Zahl der Rentner, die mit Sozialhilfe aufstocken müssen. Den Zahlen des DGB zufolge bekamen 2003 rund 24.800 Rentner in Niedersachsen zusätzlich zu ihrer Rente Sozialleistungen, im Jahr 2015 sind es bereits rund 52.900 Rentner gewesen. Die Armutsquote unter Rentnern stieg damit von 11,6 Prozent auf 17,2 Prozent.

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„Wir steuern auf eine sozialpolitische Katastrophe zu“, sagte Tölle. Seine Gewerkschaft fordert deshalb, den Abwärtstrend des Rentenniveaus beim jetzigen Stand von 48 Prozent des Nettoeinkommens zu fixieren. Anschließend soll es schrittweise auf 50 Prozent angehoben werden. „Mehr wäre in den kommenden Jahren ohne neue Schulden nicht finanzierbar.“ Schon die Anhebung auf die Hälfte des Nettoeinkommens koste nach Berechnungen der Gewerkschaft rund 80 Milliarden Euro bundesweit im Jahr. Dem DGB schwebt deshalb eine Finanzierung vor, die aus einer Erhöhung der Beiträge und einer Öffnung der Beitragszahler besteht. So sollten künftig auch Politiker und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen müssen und ab 2040 sollten Beiträge von bis zu 25 Prozent des Einkommens in die Rentenkasse fließen. Der Rest solle über Steuereinnahmen ausgeglichen werden.

Unterstützung für die Öffnung erhält der DGB von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Selbstständige seien eine sehr heterogene Gruppe, sagt ein Sprecher. „Es gibt viele Solo-Selbstständige, die nicht ausreichend abgesichert sind.“ Hier bestehe Handlungsbedarf. Wer sich nicht auf anderen Wegen grundsätzlich abgesichert hat, solle in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen müssen. Das verhindere auch, dass Selbstständige bei einer Erwerbsminderung in die Altersarmut abrutschten.

Die UVN dagegen sieht bei den Plänen der DGB die jetzigen Arbeitnehmer vernachlässigt. Denn auf einen längeren Zeitraum gerechnet seien die Nettorenten deutlich stärker gestiegen als die Einkommen der Arbeitnehmer unter 45 Jahren. „Wenn wir jetzt nicht das Rentensystem an die demografische Entwicklung anpassen, werden erst die nachfolgenden Generationen vor enorme finanzielle Herausforderungen gestellt“, sagt UVN-Hauptgeschäftsführer Volker Müller. Diese wiederum könnten nicht mehr auf den Generationsvertrag bauen, sondern müssten sich auf die private Altersvorsorge verlassen – das Konzept, das DGB-Chef Tölle als nicht ausreichend bezeichnet.