Alle Parteien fordern rasche Neuwahlen, und sowohl Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), als auch Herausforderer Bernd Althusmann (CDU) bevorzugen eine Landtagswahl parallel zur Bundestagswahl am 24. September, also ganz schnell. Aber ist das realistisch? In der Landesregierung gibt es Überlegungen, doch einen späteren Termin anzupeilen. Heute wird Landeswahlleiterin Ulrike Sachs intern eine Bewertung vorlegen – und viel spricht dafür, dass sie eher eine Landtagswahl im Herbst, am 22. oder 29. Oktober, empfehlen wird.

https://soundcloud.com/user-385595761/twestens-abschied-schwarzer

Dabei geht es weniger um die Wahlvorbereitungen der größeren Parteien, die bereits weitgehend abgeschlossen sind. Kleine Parteien jedoch müssen eine Chancengerechtigkeit haben, und weil sie die gesetzliche Verpflichtung haben, Unterstützer-Unterschriften zu liefern, dürfen die Fristen für solche Sammlungen nicht allzu stark verkürzt werden. Geschähe es doch, so könnte eine kleine Partei, die nicht genügend Fürsprecher in zu knapper Zeit mobilisieren kann, später erfolgversprechend die Landtagswahl anfechten. Aus CDU und FDP ist aber zu hören, diese Begründung könne vorgeschoben sein, zumal Sachs in einer spontanen ersten Stellungnahme eine Landtagswahl am 24. September als „sportlich, aber machbar“ bezeichnet habe. SPD und Grüne, so heißt es von CDU und FDP, sollten sich jetzt nicht hinter vorgeschobenen formalen Gründen verstecken. Wenn Weil fürchte, bei einem Termin zeitgleich zur Bundestagswahl von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz heruntergerissen zu werden, dann dürfe das nicht Maßstab für sein Handeln sein. Deshalb komme es jetzt sehr auf die Landeswahlleiterin an. Sofern sie keine schwerwiegenden Bedenken gegen den 24. September vortrage, müsse man das auch so festlegen.

https://soundcloud.com/user-385595761/rot-grun-ohne-mehrheit-die-erklarung-von-elke-twesten-im-wortlaut

Obwohl im großen Ziel der Landtagsauflösung einig, gibt es zwischen den Lagern im Landtag doch Streit über den richtigen Weg dahin. CDU und FDP fordern Weil auf, die Konsequenz aus der verlorenen Landtagsmehrheit zu ziehen und zurückzutreten. Dann wäre seine Regierung nur noch geschäftsführend im Amt. Formal könnte das Kabinett zwar auch dann sämtliche Personal- und Sachentscheidungen treffen. In den Blick fällt dabei die Neubesetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle, für die Justiz-Staatssekretärin Stefanie Otte vorgesehen ist. Diese Besetzung ist umstritten, es gibt zwei Mitbewerber, die sich jeweils für besser qualifiziert halten. Wenn Weil nicht zurücktritt, wie er es bisher erklärt hat, hätte das Kabinett formal wie faktisch die volle Handlungsfreiheit. Eine nur noch geschäftsführende Landesregierung indes hätte moralisch größeren Rechtfertigungsdruck, sie müsste jede ihrer Entscheidungen ausführlich begründen. Eine enge Abstimmung ihrer Politik mit der neuen Landtagsmehrheit wäre dann unumgänglich – gerade bei Personalentscheidungen. Das beträfe beispielsweise auch die bevorstehende Neuorganisation des Innenministeriums.

https://soundcloud.com/user-385595761/stephan-weil-ich-werde-einer-intrige-nicht-weichen

Einen Vorgeschmack darauf, welche Machtprobe im Landtag jetzt bevorsteht, liefert das Hin und Her um das Spitzentreffen heute. Ministerpräsident Weil hatte die Fraktionschefs gebeten, sich um 12 Uhr mit ihm in der Staatskanzlei zu versammeln, um das weitere Vorgehen – rund um Wahltermin und Auflösung des Parlaments – zu besprechen. CDU-Fraktionschef Björn Thümler sagte ab, da nicht die Parteivorsitzenden hinzugebeten wurden. Zwei Parteivorsitzende, Althusmann und Stefan Birkner (FDP), sind zugleich Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, aber keine Fraktionsvorsitzenden. Nun hat Landtagspräsident Bernd Busemann für 13 Uhr alle Beteiligten (Fraktions- und Landesvorsitzende, Landtagsjuristen und Landeswahlleiterin) zu sich ins Büro eingeladen, um eine Klärung zu erreichen.

Landtagspräsident Busemann hat es in der Hand

Noch ist unklar, ob Weil oder Busemann das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Eine enge Abstimmung scheint auch wegen der formalen Zuständigkeiten als geboten. Kommt es zur Selbstauflösung nach Artikel 10 der Landesverfassung, wie geplant, dann dürfte der Antrag dazu in der nächsten regulären Landtagssitzung am 16. August  beraten werden, eine Abstimmung darüber wäre frühestens am 28. und spätestens am 15. September im Landtag möglich. Die Entscheidung über diesen Termin liegt in der Hand von Busemann, er hätte also die Chance, alles hinauszuzögern. Ist die Auflösung dann beschlossen, öffnet sich ein zweimonatiges Zeitfenster für die Festlegung des Wahltermins – und das obliegt allein der Landesregierung. Naheliegend wäre es nun, wenn sich Busemann und Weil darauf verständigen, die beiden Terminfragen für die Landtags-Auflösung und die Neuwahl gemeinsam mit dem Fraktions- und Landesvorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien zu klären.

https://soundcloud.com/user-385595761/althusmann-brauchen-jetzt-kein-hickhack-um-den-wahltermin

Unterdessen schält sich heraus, dass nur noch zwei Gesetzesvorhaben den Landtag in dieser Wahlperiode passieren werden – der Nachtragsetat mit der 25-Millionen-Hilfe für die Flutopfer und die Schulgesetz-Novelle, die eine bessere Handhabe gegen die Vollverschleierung von Schülern bieten soll. Alle anderen Vorhaben dürften scheitern, zumal die neue schwarz-gelbe Landtagsmehrheit, die nach der Aufnahme von Twesten in die CDU-Landtagsfraktion von Dienstag an auch formal gilt, kein Interesse daran hat. Das Transparenz-, Polizei- und Richterwahlgesetz, das Wasser- und das Klimagesetz, um nur die größeren Vorhaben zu nennen, werden damit verfallen. Das gilt auch für das Gleichberechtigungsgesetz, das die Frauenförderung im öffentlichen Dienst verbessern sollte. Am Donnerstag steht dazu die Schlussberatung im Sozialausschuss an, doch das ist parlamentarisch zu spät – denn schon einen Tag vorher legt der Ältestenrat für die voraussichtlich letzte ordentliche Landtagssitzung die Tagesordnung fest.

Am heutigen Montag tagen noch der Umwelt- und der Wissenschaftsausschuss im Landtag. Da aber beide Gremien wegen der Änderung der Mehrheitsverhältnisse neu zusammengesetzt werden müssen, sind beide Sitzungen verfassungsrechtlich problematisch.