So verlief der Start der digitalen Ideen-Expo
Man nehme ein Aquarium voll Wasser, Spüli und Feuerzeuggas. „Jetzt machen wir mal etwas Spektakuläres“, kündigt Youtuber Jacob Beautemps an. Nicht ohne den ernüchternden Hinweis, das bitte nicht zu Hause nachzumachen. Dann schäumt er seine Hand mit dem Seifenwasser ein und zündet sie an. Eine solide Stichflamme züngelt in der Messehalle 18 von seiner Hand empor. Doch die Hand bleibt unversehrt. 130 Schülerinnen und Schüler, die zwei Stunden lang live die ansonsten komplett digitale Ideenexpo besuchen dürfen, applaudieren verblüfft.
Die Ideen-Expo ist eine hannoversche Erfolgsgeschichte. Seit 2007 präsentieren sich alle zwei Jahre Unternehmen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen vor Schülern und werben um Nachwuchs für naturwissenschaftliche und technische Berufe. Sie wird gemeinsam von der niedersächsischen Politik und Wirtschaft verantwortet – und als Motor tritt der Aufsichtsratsvorsitzende auf, Volker Schmidt, im Hauptberuf Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. In diesem Jahr ist die Ideen-Expo pandemiebedingt auf zwei Tage verkürzt und findet online statt.
Die Halle 18 auf dem Messegelände hat sich in ein riesiges Fernsehstudio verwandelt. Im Raum verteilt sind die messetypischen Bühnen, auf denen Experimente und Talkrunden stattfinden. Nur schlendern die Jugendlichen diesmal nicht von Stand zu Stand, sondern verfolgen das Geschehen pausenlos wie eine Fernsehshow – auf der großen Leinwand vor Ort, auf dem Endgerät zu Hause oder in der Schule. Im Chat können sie den Akteuren im Anschluss ihre Fragen stellen und Kommentare posten.
„Die Ideen-Expo in digitaler Form ist etwas anderes als sonst“, sagt Gastgeber Volker Schmidt, der Aufsichtsratschef. Für die Präsenzveranstaltung haben sich überall in Niedersachsen Auszubildende engagiert, Exponate gebaut und dann auf der Messe vorgestellt, um ihre Begeisterung für ihren Job an andere junge Leute weiterzugeben. Auf der anderen Seite können bei der digitalen Ausgabe auch Schüler dabei sein, für die eine Anreise zu umständlich gewesen wäre. Und 2022 ist schon die nächste Ausgabe geplant, kündigt Schmidt an: „Die beste Ideen-Expo aller Zeiten!“
Ein Youtube-Video ist eigentlich ganz ähnlich aufgebaut wie eine gute Schulstunde.
Noch einmal zurück zum Anfang: Warum brennt die Hand von Wissenschaftskünstler Jacob Beautemps nicht? Die Jugendlichen dürfen per Smartphone abstimmen. Die allermeisten haben verstanden: Das Wasser mit der herabgesetzten Oberflächenspannung schützt die Hand. Was Beautemps den Jugendlichen nicht verraten hat: Er ist nicht nur Youtube-Star, sondern auch angehender Lehrer und Doktorand in Physikdidaktik. Doch da gibt es durchaus Überschneidungen, meint er: „Ein Youtube-Video ist eigentlich ganz ähnlich aufgebaut wie eine gute Schulstunde.“
Wirtschaftsminister Bernd Althusmann ist gemeinsam mit Volker Schmidt Gast in einer Talkrunde. „Die Schulen und Berufsschulen an schnelles Internet anzuschließen ist entscheidend“, versichert er den Schülern und Lehrern. Und räumt hinterher im Gespräch mit Journalisten ein: „Die Pandemie hat unsere Schwächen offenbart, in der Schule und beim Übergang in den Beruf.“ Volker Schmidt erzählt, dass ihm schon viele Unternehmen ihr Leid geklagt haben: Die jungen Leute, die ihre Schulabschlüsse während der Corona-Pandemie gemacht haben, offenbarten Defizite nicht nur im naturwissenschaftlichen Wissen, sondern auch im zwischenmenschlichen Umgang. Die Krise macht sich in der Gesellschaft bemerkbar.
Umso wichtiger sind Vorbilder. Die Einspielfilme und Talkrunden stellen Jugendliche vor, die in Technikberufen und -studiengängen ihren Weg gefunden haben. Die meisten davon sind junge Frauen. Sie berichten vom Spaß im Job, tollen Kollegen und viel Eigenverantwortung. „Wir wollen erfolgreiche Frauen aus der Wirtschaft vorstellen“, sagt Schmidt. „Frauen können alles – auch Technik.“ Bei seiner Tochter hat er erlebt: Vorbehalte lösen sich auf, wenn es Erfolgserlebnisse gibt. Seit sie auf einer Ideen-Expo selbst löten durfte, war sie Feuer und Flamme.
Mir war nicht klar, dass es so viele verschiedene Berufe gibt.
Nach guten zwei Stunden Programm wartet schon die nächste Schülergruppe auf Einlass. Mit einer Give-Away-Tüte kommen Hadjar und Viktoria aus der Messehalle. „Mir war nicht klar, dass es so viele verschiedene Berufe gibt“, sagt Hadjar. Viktoria ist schon eine routinierte Besucherin der Ideen-Expo. Sie nutzt auch kleinere Events, um mit Arbeitgebern vor Ort ins Gespräch zu kommen. Dass ihre Stärken im naturwissenschaftlichen Bereich liegen, weiß sie. Orthopädietechnik wäre etwas für sie. Oder Chemie. Vielleicht erzählt sie ja auf einer zukünftigen Ideen-Expo mal der nächsten Generation, wie ihr Weg verlaufen ist.
Von Anne Beelte-Altwig