So erreicht der Mittelstand die Generation Y
Der Dieselskandal wird für Volkswagen auch auf der Ebene der Mitarbeiter richtig teuer. Das sagt der Professor für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta, Nick Lin-Hi. Volkswagen zahle langfristig den Preis dafür, dass die unternehmerische Verantwortung für die Gesellschaft nicht korrekt wahrgenommen wurde. „Früher sind die Mitarbeiter mit ihrem VW nach Hause gekommen und waren stolz auf ihr Unternehmen, alles war super. Heute lächelt der Nachbar und zeigt mit dem Finger auf sie und sie wissen ganz genau, was er damit meint. Die Identifikation mit dem Unternehmen ist nicht mehr so, wie sie vorher einmal war.“ Der Rückgang der Identifikation treibe zum Beispiel Krankheitsquoten hoch. Das seien Faktoren, die man in die Verluste nach dem Dieselskandal mit einrechnen müsse.
Auch die Reputation des Unternehmens habe gelitten. Bei den Umfragen zum „Good Company Ranking“ lande Volkswagen im Bereich Gesellschaft auf dem letzten Platz. „Die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst die Reputation des Unternehmens. Und das ist eine Vorgröße von Arbeitgeberattraktivität“, so Lin-Hi.
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann sagte, das Unternehmen habe aus der Krise gelernt. „Es ist ein Prozess angestoßen worden, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt. Das betrifft zum Beispiel die Unternehmenskultur oder das Einhalten von Regeln und Standards. Ich kenne kein anderes Unternehmen weltweit, das so stark seine internen Prozesse überprüft und anpasst.“
Die Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) stellte am Donnerstag in Hannover eine Initiative vor, mit der auch im Mittelstand stärker für Corporate Social Responsibility (CSR), also unternehmerische Gesellschaftsverantwortung, geworben werden soll. „Der Begriff des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ hört sich etwas verstaubt an und wird manchmal auch ein wenig belächelt. Für die Unternehmen hat er allerdings eine große Bedeutung“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Susanne Schmitt. Große Konzerne seien inzwischen verpflichtet, eine sogenannte nicht-finanzielle Erklärung in ihren Jahresabschlussbericht zu integrieren. Das betreffe kleine und mittlere Unternehmen mittelbar, weil viele Konzerne auch von ihren Zulieferern entsprechende Erklärungen und die Einhaltung einer bestimmten Unternehmenskultur einforderten.
Es gehe dabei auch um eine Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität, sagte Althusmann. „Es wird Unternehmen künftig nur gelingen, Fachkräfte zu gewinnen, wenn sie die Regeln gemeinsamer unternehmerischer Verantwortung nicht nur niederschreiben, sondern auch leben. Das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns sollte im Mittelstand in den Vordergrund gerückt werden.“
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Man sei derzeit immer noch in einer Phase eines langen wirtschaftlichen Aufschwungs, sagte Professor Lin-Hi. „Je erfolgreicher man ist, desto eher verfällt man vielleicht in den Glauben, das könnte morgen auch noch so sein. Aber: Erfolg in der Vergangenheit ist kein Indikator für Erfolg in der Zukunft. Der Mittelstand tut sich schwer zu verstehen, welche Veränderung gerade auf den Märkten vor sich gehen.“ Schon jetzt gebe es im Mittelstand viele offene Positionen, die nicht besetzt werden könnten.
Die sogenannte Generation Y, die zwischen den frühen 80ern bis in die frühen 2000er Jahre geboren wurde, zeige neue Werthaltungen. Junge Menschen wollten als Mitarbeiter sehen, wie ihr Unternehmen gesellschaftliche Herausforderungen löse und stolz auf ihren Arbeitgeber sein. „Ich kann heute als Unternehmen nicht mehr alles ökonomisch lösen. Ich brauche solche Faktoren, um als interessanter Arbeitgeber am Markt auftreten zu können.“ Eine strategische Einhaltung von CSR-Kriterien reduziere die personelle Fluktuation und erhöhe die Motivation der Mitarbeiter.