Sind die Pläne von Union und SPD, die Parteien-Zuschüsse zu erhöhen, unverschämt?
Union und SPD im Bund wollen das Gesetz zur Parteienfinanzierung ändern. Die Obergrenze soll von 165 auf 190 Millionen Euro steigen. Scharfe Kritik kommt von Bundestags-Oppositon. Ist die spontane Erhöhung unverschämt? Lesen Sie dazu ein Pro & Contra von Martin Brüning und Klaus Wallbaum.
PRO: Das Hauruck-Verfahren von CDU und der klammen SPD macht deutlich, dass beiden Parteien das Vorgehen selbst nicht ganz geheuer ist. Vor allem die SPD liefert den Hetzern gegen die Parteiendemokratie damit neue Argumente, meint Martin Brüning.
Auskömmliche Finanzierung nötig
Zunächst einmal: Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Und all den Politik- und Parteienverdrossenen muss gesagt werden: Die Parteien leisten einen wertvollen Beitrag, und sie waren in den vergangenen Jahrzehnten die Basis für dieses stabile politische System. Für die Rolle, die ihnen in dieser Demokratie zugedacht ist, brauchen sie eine auskömmliche Finanzierung, die im Parteiengesetz geregelt ist. Deshalb kann auch eine Debatte über eine Änderung der Parteienfinanzierung durchaus geführt werden, selbst eine Erhöhung der Obergrenze, wie im Gesetzentwurf von CDU und SPD vorgesehen, müsste nicht im Vorherein abgelehnt werden. So wie die Große Koalition das Vorhaben allerdings angeht, funktioniert es nicht. Diese politische Nacht-und-Nebel-Aktion ist unwürdig und stärkt nicht die Parteien, sondern schwächt die Parteiendemokratie.
Besondere Bedeutung bringt besondere Verantwortung mit sich
Man könnte es sich einfach machen und die Parteien mit Unternehmen vergleichen. Wenn Unternehmen schlechte Arbeit leisten und/oder vor großen Herausforderungen stehen, bekommen sie auch nicht automatisch einen Millionen-Ausgleich aus dem Steuersäckel. Diese Argumentation wäre allerdings zu kurz gegriffen, weil Parteien nun einmal keine normalen Unternehmen sind – siehe oben. Durch die besondere Bedeutung kommt den Parteien allerdings auch eine besondere Verantwortung zu. Und die lässt sich nicht mit dem Versuch eines möglichst heimlichen Griffs in die Kasse in Einklang bringen.
Argumente für die Erhöhung nicht leicht zu finden
Das Hauruck-Verfahren von CDU und der klammen SPD macht deutlich, dass beiden Parteien das Vorgehen selbst nicht ganz geheuer ist. Verschämt versuchen sie, das Gesetz am Anfang der Legislaturperiode medial verdeckt von der Fußball-WM über die Bundestagsbühne zu bringen. Kein Wunder: Argumente für die Erhöhung sind nicht ganz leicht zu finden, zumal die aktuelle Obergrenze noch nicht besonders alt ist. Erst im Jahr 2011 wurde sie festgelegt und mit einer Dynamisierung verbunden. Die Parteien haben also ohnehin jedes Jahr die Möglichkeit auf mehr Geld.
SPD leistet politischem System einen Bärendienst
Nun braucht man also mehr Geld. Warum? Irgendwas mit Digitalisierung, kann man den Worten des SPD-Bundesgeschäftsführers Dietmar Nietan entnehmen, der über die Entwicklung natürlich selbst nicht glücklich ist. „Ich glaube, es ist im Moment in der Stimmungslage, wie sie ist, sehr, sehr schwer, überhaupt zu begründen, warum man mehr Geld braucht und dass man das nicht macht, um sich noch schönere Parteizentralen zu bauen“, jammerte Nietan im Deutschlandfunk. Überzeugende Argumente blieb er allerdings schuldig. Vor allem die SPD leistet dem politischen System einen Bärendienst. Erst die Wahl verlieren und dann die Steuerzahler abzocken. Das ist Wasser auf die Mühlen der Hetzer gegen die sogenannten Altparteien.
Werben um Spender intensivieren
Hat die SPD schon in ihrer Politik eine mögliche Eigenverantwortung der Bürger aus dem Blick verloren, so gilt das nun offensichtlich auch für sie selbst. Statt sich aus dem Steuertopf zu bedienen, sollte man sich auf die eigene Kraft besinnen. Jedes neue Mitglied bringt nicht nur Einnahmen durch Beiträge, sondern auch zusätzliche staatliche Zuschüsse. Auch das Werben um Spender könnte intensiviert werden. Es müssen ja nicht große Unternehmen sein, wenn man davor zu große Scheuklappen hat. Auch eine große Anzahl kleiner Spender kann zu erklecklichen Summen führen. Dafür müssten sich die Parteien aber einmal aufraffen und neue Wege gehen, anstatt ständig den Missmut über die Parteien zu bejammern. Der anstrengungslose Weg, den die SPD geht und mit ihr, warum auch immer, die CDU, ist ein Trampelpfad der Politikverdrossenheit.
Nicht so und nicht während der WM
Natürlich kann man über Änderungen bei der Parteienfinanzierung sprechen, zum Beispiel über weniger Bürokratie, um die ehrenamtlichen Schatzmeister in den Ortsverbänden zu entlasten. Vielleicht kann man sogar aufgrund neuer Herausforderungen über mehr Geld sprechen. Aber nicht so und nicht während der Fußball-WM. Wenn die Parteien eine neue Akzeptanz erfahren wollen, braucht es eine offene und ehrliche Diskussion und keinen heimlichen Griff ins Portemonnaie nach einer Wahlpleite.
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CONTRA: Staatliche Parteienfinanzierung ist der einzige Weg, die Abhängigkeit der Parteien von Großspendern zu verringern. Wer etwas Böses darin sieht, missachtet die wichtige Aufgabe der Parteien im demokratischen Staat, meint Klaus Wallbaum.
Abhängigkeit von Spenden muss nichts Undemokratisches sein
Ein politisches System, in dem der Zugang zu Reichtum über Karrieren entscheidet, ist wenig attraktiv. In den USA muss jemand, der Gouverneur oder gar Präsident werden will, ein beträchtliches Vermögen investieren. Das heißt, dass er Gönner braucht – vermögende Menschen oder Institutionen, die ihn unterstützen, und dann natürlich im Fall der Wahl auch entsprechendes Entgegenkommen von ihrem Kandidaten erwarten. In den USA hat das funktioniert und dennoch die Demokratie nicht beschädigt. Trotz der großen Rolle des Geldes haben es linke wie rechte Politiker ins Weiße Haus geschafft, einmal sogar beinahe ein Systemgegner, der Demokrat und bekennende Sozialist Bernie Sanders, der 2016 fast Hillary Clinton geschlagen hätte. Die Abhängigkeit von Spenden muss also nicht per se etwas Undemokratisches sein oder sich gegen die Interessen der breiten Mehrheit richten. Wer das behauptet, würde die Bedeutung der öffentlichen Meinungsbilder unterschätzen.
Kombination hat sich bewährt
Aber vor allem in Deutschland sind Parteispenden anrüchig, gelten jene Gruppierungen, die besonders reichlich Spenden erhalten, als bevorzugt. Deshalb ist es hierzulande für das öffentliche Ansehen der Parteien von Vorteil, dass sie eben nur einen Teil ihrer Einnahmen – im Schnitt rund 15 Prozent – über Spenden erzielen. Die einen mehr, die anderen weniger. Eine andere wichtige Säule sind die Mitgliedsbeiträge und die Abgaben der Mandatsträger, die einen Teil ihrer Diäten und Vergütungen an die Partei abführen. Schließlich kommen noch die staatlichen Zuschüsse hinzu, die sich am Stimmergebnis orientieren und daran, wie stark die Parteien – etwa dadurch, dass sie Spenden erhalten – in der Gesellschaft verwurzelt sind. Diese Kombination von Spenden, Zuschüssen und Beiträgen hat sich über viele Jahrzehnte bewährt, und die jetzt von der Großen Koalition geplante Erhöhung der Obergrenze für Zuschüsse von 165 Millionen auf 190 Millionen Euro jährlich ist kein Hexenwerk, sondern durchaus gut begründbar mit den gestiegenen Aufgaben und Kosten.
Beschluss im Schatten des WM-Fiebers
Was allerdings dilettantisch wirkt, ist die Art und Weise des Umgangs mit dem Thema. Die kurzfristige und beiläufige Präsentation des Planes in den ersten Juni-Tagen im Bundestag – verbunden mit der Ankündigung, nächste Woche dann endgültig zu entscheiden, weckt schlimme Vermutungen. Offenbar verfolgen die Koalitionäre den Plan, im Schatten des WM-Fiebers die Sache beschließen zu wollen. Derartige Dinge hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegeben. Wenn Politiker meinten, sie wollten eine unangenehme Angelegenheit vom Tisch räumen, kamen ihnen sportliche Großereignisse stets wie gerufen. Da sich mindestens die Hälfte der Bevölkerung, auch der politisch interessierten, dann mehr für den Sport als für alles andere interessiert, bleibt die Aufregung über politisch heikle Themen kleiner, alles verläuft gedämpfter. Das mindert zwar langfristig den Ärger darüber nicht, verschafft aber kurzfristig erst einmal Entlastung. Der Nervosität der Abgeordneten, die dem Plan nur widerwillig folgen wollen, ist in solchen Fällen auch geringer, die Wahrscheinlichkeit einer Mehrheit also größer.
Ramponiertes Ansehen der Parteien wieder aufbessern
Aber, warum um alles in der Welt, plagt die Abgeordneten bei diesem Plan ein so schlechtes Gewissen? Sicher, die Populisten von rechtsaußen und linksaußen werden nicht müde, bei jeder Diäten- und Parteizuschusserhöhung zu schimpfen auf das von ihnen verachtete „System“. Viele in der Gesellschaft sind leider dann auch bereit, in dieses Wehklagen einzustimmen und den Politikern „Selbstbedienungsmentalität“ zu unterstellen. Dagegen müssten die demokratischen Parteien mehr Aufklärungsarbeit leisten und das ramponierte Ansehen der Parteien wieder aufbessern. Zu leichtfertig haben selbst höchste Repräsentanten des Staates in den vergangenen Jahrzehnten auf die Parteien geschimpft, statt den Parteien die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. Es gibt Interessensgruppen, die die jeweiligen Ziele ihrer Mitglieder vertreten – der Arbeitgeber und Gewerkschaften, der Fußballspieler und Autofahrer, der Mieter und Wohneigentümer. Die Parteien arbeiten quer zu diesen Gruppen, sie müssen unterschiedliche Interessen aufnehmen, abwägen und – je nach ihrem politischen Standort – stärker in die eine oder andere Richtung gewichten. Wenn es die Parteien nicht gäbe, wer würde dies dann tun? Hätten wir nur eine große öffentliche Meinungsbefragung, so könnten sich dort stets die stärksten und größten Gruppen durchsetzen – für die Minderheiten bliebe nicht viel. Parteien haben die Aufgabe, ihren Reihen auch Minderheitspositionen Gewicht zu verleihen.
Damit sie diese wichtige Aufgabe erfüllen können, brauchen die Parteien das nötige Geld. Darüber kann man ohne Scham und schlechtes Gewissen reden.