Bald jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem die gegenwärtige Landesregierung aus Sozial- und Christdemokraten ihr Amtszeit gestartet hat. Für Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) war das ein Anlass, in der Plenartagung diese Woche eine Regierungserklärung vorzutragen. Er stellte seine Rede unter die Überschrift „Stabilität und Fortschritt“ und grenzte die Arbeit der Landesregierung dabei von der der Bundesregierung ab.

Der Politikstil in Hannover befinde sich „in einem unübersehbaren Widerspruch etwa zu den Entwicklungen auf der Bundesebene“. Weil sagte: „Ich bin persönlich tief davon überzeugt, dass wir nicht nur in Niedersachsen, sondern auch weit darüber hinaus auf eine solch ruhige und umsichtige Art und Weise Politik machen müssen. Nicht ohne Diskussion und ohne Meinungsverschiedenheiten – aber vor allem in der spürbaren Absicht, die Themen voranzubringen, die für die Bürger entscheidend sind.“ In der folgenden Aussprache ließen die Fraktionschefs von SPD und CDU, Johanne Modder und Dirk Toepffer, auch Selbstkritik anklingen.

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Modder meinte als Vorsitzende der größten Landtagsfraktion, die Lage der stationären und ambulanten Krankenversorgung sei „in einigen ländlichen Regionen besorgniserregend“, sie erwarte aber von der neuen Enquetekommission wertvolle Hinweise auf rasch mögliche Lösungen. Auch für die bessere Bezahlung der Pflegekräfte werde man sich einsetzen. So sehr sie mit der SPD zu dem „Masterplan Digitalisierung“ stehe, der hohe Investitionen in diesem Bereich vorsieht, so sehr müsse man auch an die Arbeitnehmer denken, die „über diese Entwicklung zunehmend verunsichert sind, weil sie nicht wissen, ob ihr Arbeitsplatz noch da sein wird, ob er sich verändern wird und ob sie dieser rasanten Entwicklung noch gewachsen sind“.

„Sozialer Sprengstoff“ befinde sich in der Verknappung des Angebots an bezahlbarem Wohnraum – Bauminister Olaf Lies sei aber auf dem richtigen Weg. CDU-Fraktionschef Toepffer meinte, die Regierung könne „manches Gesetzesvorhaben etwas schneller“ auf den Weg zum Landtag bringen, die Große Koalition könne „manchmal besser zuhören und den Dialog groß schreiben“, man könne die landespolitischen Positionen überregional mit Bundesratsinitiativen besser akzentuieren und „überzeugender auf aktuelle Entwicklungen reagieren“. Konkreter wurde der CDU-Fraktionschef nicht, fügte aber noch eine Mahnung zur politischen Kultur hinzu: Die Landtagsabgeordneten sollten vermeiden, dass Redebeiträge im Landtag ins Unsachliche und Diffamierende abgleite

Der Ministerpräsident hatte zuvor umfangreich die bisherigen Ergebnisse der Regierungsarbeit referiert – vor allem die Beitragsfreiheit für Kindergärten, den Masterplan für Digitalisierung, die Investitionen in Krankenhäuser und den Reformationstag als Feiertag. Er mahnte zur Achtsamkeit in der inneren Sicherheit: „Lassen wir uns nicht von der derzeitigen Ruhe einlullen – die Gefahr von Terroranschlägen ist keineswegs gebannt. Im Gegenteil, wir wissen von manchen Gefährdern, die aus Syrien zurückgekehrt sind und ihrem Fanatismus beileibe nicht abgeschworen haben.“ Die Grünen-Fraktionschefin Anja Piel hielt Rot-Schwarz vor, die Qualitätsverbesserung in den Kindergärten nicht angepackt zu haben, klare Signale in der Diesel-Debatte zu vermeiden und beim Polizeigesetz den Kurs der CDU-Hardliner zu verfolgen: „Schünemann diktiert, Pistorius schreibt auf – ich bin von ihnen enttäuscht, Herr Innenminister.“ Sie erkenne „Stillstand und Mutlosigkeit“.

Die AfD-Fraktionschefin Dana Guth sagte, in vielen Bereichen fehlten Konzepte – so im Umgang mit kriminellen Clans, bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber oder in der Frage von mehr Tierschutz in der Landwirtschaft. Stefan Birkner (FDP) beklagte eine „Ideen- und Ambitionslosigkeit“: „Langweilig über das Land zu ziehen und das als neues Modell zu verkaufen, zeugt nicht von Stabilität.“ Eigene Vorschläge seien Mangelware, dabei habe man doch längst Ideen zur Verkürzung der langen Planungszeiten entwickeln oder den Rückstand in der Infrastruktur aufholen können. Weil die CDU ihr Trauma bewältigen müsse, bei der Landtagswahl hinter die SPD gerutscht zu sein, fordere sie nun ständig „eine Politik auf Augenhöhe mit der SPD“ – und das Ergebnis seien sinnlose Ausgaben für mehr Stellen in der Verwaltung, um die Gleichrangigkeit von Sozial- und Christdemokraten darzustellen.