11. Juni 2023 · 
Bildung

Schulgipfel startet: Ministerin Hamburg muss einen Mix aus unpopulären Schritten wagen

Der zweite Teil des sogenannten „Schul-Gipfels“ steht am Montag bevor – allerdings diesmal weitgehend hinter verschlossenen Türen. Es geht darum, das zunehmend knappe Gut der Lehrer effektiver im Unterricht einzusetzen. Dazu gibt es mehrere Wege:

Die Klassengrößen können heraufgesetzt werden

Eine generelle Erhöhung der Schüler-Lehrer-Relation ist nicht zu erwarten – es dürfte also unwahrscheinlich sein, dass ein Lehrer künftig mehr Schüler unterrichten muss. Allerdings wird festgestellt, dass in vielen Schulen die Klassenobergrenzen oft nicht ausgeschöpft werden – also je Jahrgangsstufe mehrere Klassen vorhanden sind, in denen deutlich weniger Kinder als die Soll-Größe unterrichtet werden.

In solchen Fällen wäre eine Verringerung von beispielsweise sechs parallelen Klassen je Jahrgangsstufe auf fünf vorstellbar. Ergänzt werden könnte das mit der Ausnahmevorschrift, die maximale Zahl der Kinder um ein oder zwei heraufsetzen zu können.



Pensionierte Lehrer könnten zu Mehrarbeit gelockt werden

Wenn man Lehrern, die in Pension gehen, finanziell lukrative Angebote unterbreiten könnte, wären sie eventuell bereit, den Zeitpunkt ihres Ruhestandes hinauszuschieben. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, da das Beamtenrecht einige Hürden für solche Fälle bereithält.

Im Kultusministerium scheint sich jedoch die Ansicht durchzusetzen, dass derartige Schritte sinnvoller sein könnten als das Engagement von Quereinsteigern – da diese meistens keine pädagogischen Kenntnisse haben und erst noch aufwendig weitergebildet werden müssten.

Idee gegen den Lehrermangel: Statt in Pension zu gehen, sollen Pädagogen zur Weiterarbeit animiert werden. | Foto: Vlada Maestro

Basis-Unterricht in größeren Gruppen

Der festgestellte Mangel an Kernkompetenzen von Viertklässlern, was Lesen, Schreiben und Rechnen angeht, hat die Kultuspolitiker aufgerüttelt. Es wäre nun vorstellbar, daraufhin den Unterrichtsablauf in den Grundschulen umzustellen. Eine Variante wäre, diese Basis-Kompetenzen in größeren Lerngruppen oder nach neuen pädagogischen Methoden zu vermitteln. Geprüft werden müsste, ob auch das in größeren Klassen oder klassenübergreifend zu schaffen wäre. Der möglichst schonende Einsatz von Lehrkräften ist also das Ziel. Wenn das möglich wäre, könnte man auf diese Weise Grundschullehrer effektiver für den Unterricht einsetzen.

Abkehr von Teilzeit-Lehrkräften

Mit kräftigen finanziellen Anreizen (oder solchen, die sich auf die späteren Pensionsansprüche beziehen) könnte es möglich werden, die bei sehr vielen Lehrern nicht beliebten Vollzeit-Stellen attraktiver zu machen. Natürlich ginge das auch, indem man Teilzeit-Verträge unattraktiver gestaltet. Doch dieser zweite Weg stößt an Grenzen, da die amtierenden Lehrer auf Besitzstandwahrung pochen können und im Übrigen eine Verschlechterung der Teilzeit-Bedingungen erhebliche Proteste von Verbänden heraufbeschwören würde.

„Freiheit für die Schulen“

Ein Weg wäre auch, den Schulen eine weitgehend eigenständige Organisationsfreiheit zu überlassen – auch mit Blick auf Klassengrößen, Unterrichtsstunden der Lehrer, Ausgleichszeiten für Sonder-Aufgaben und mit Blick auf die Frage, wie stark neben dem Kernunterricht noch Zeit für Projektarbeit bleibt. Ein derart radikaler Weg würde die Verantwortung für das Management mit knappen Lehrerstellen in die Hände der Schule legen – und das Land nur noch in der Pflicht belassen, eine Basis-Größe an Lehrpersonal sicherzustellen. Für die Bildungsverbände und Gewerkschaften wäre das indes ein Graus, da mit dem Fehlen von landesweiten Detailvorgaben auch ihre Macht, diese zu beeinflussen, verloren ginge.

Höhere Unterrichtsverpflichtung

Möglich wäre auch, die Unterrichtsverpflichtung für Lehrer zu erhöhen. Dies könnte man koppeln mit einer Entlastung – indem etwa zur Korrektur von Arbeiten nicht die Lehrer eingesetzt werden, sondern Lehramtsstudenten oder pädagogische Mitarbeiter. Dieser Weg erfordert allerdings einen höheren Koordinationsaufwand. Das Risiko einer befristeten Lehrer-Mehrarbeit in Krisenzeiten besteht allerdings darin, dass für spätere Zeiten eine Entlastung versprochen werden müsste, die dann auf jeden Fall auch eingehalten wird. In den neunziger Jahren gab es bereits solche Vereinbarungen, die das Land dann aber nicht umsetzen konnte – weil die Lage sich später nicht wesentlich verbessert hatte.

Kleine Grundschulen auflösen

Sehr kleine Grundschulen, in denen je Jahrgang nur wenige Schüler unterrichtet werden, könnten ihre Eigenständigkeit verlieren. Vermutlich wird man die Standorte in ländlichen Gegenden nicht schließen, da das Folgeprobleme schafft, etwa beim Schülerverkehr. Aber verstärkt könnte das Modell greifen, dass mehrere Grundschulen von nur einer einzigen Leitung betreut werden. Dieser Schulleiter müsste dann auch kein ausgebildeter Lehrer sein.


Dieser Artikel erschien am 12.6.2023 in Ausgabe #106.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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