Hätte Niedersachsen eher auf neue Schulden verzichten müssen? Zum Auftakt der Haushaltsdebatte des Landtags, die im Dezember in einem Parlamentsbeschluss über den Etat 2017/2018 enden wird, ist hierüber ein heftiger Streit entstanden. Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) sagte am Mittwochnachmittag im Parlament, die ständigen Rufe nach einem früheren Ende der Neuverschuldung seien unseriös. Die Risiken seien unübersehbar, so bleibe die Zahl der Flüchtlinge unkalkulierbar, außerdem könne der absehbare Ausstieg der Briten aus der EU auch das Wirtschaftswachstum in Deutschland schwächen. Im Haushalt für 2017 sind noch neue Kredite in Höhe von 360 Millionen Euro vorgesehen, im Haushalt für 2018 soll dieser Betrag dann auf null sinken. Er sei „schon ein bisschen stolz“, in seiner Amtszeit dieses Ziel erreichen zu können, erklärte Schneider.

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CDU-Fraktionschef Björn Thümler widersprach vehement: Die rot-grüne Finanzpolitik sei „ambitionslose Pflichterfüllung“, die guten Zahlen könne Schneider nur dank der hervorragenden Steuereinnahmen vorlegen. Dabei verschweige er, dass seine Rechnung für einen Haushalt 2018 ohne neue Kredite nur deshalb aufgehe, weil er angehäufte und bisher nicht genutzte Kreditaufnahmerechte aus Vorjahren in Anspruch nehmen wolle – in Höhe von 800 Millionen Euro. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr meinte, in der Finanzpolitik habe Niedersachsen zusammen mit Bremen und Nordrhein-Westfalen derzeit die „rote Laterne“ – alle anderen Länder hätten mehr Anstrengungen unternommen. Dürr kritisiert, dass Niedersachsen 2013, 2014 und 2015 zu wenig Lehrer eingestellt habe. Dies räche sich jetzt, da sich große Lücken in der Unterrichtsversorgung auftäten.

Schneider hatte zunächst die besonderen Anstrengungen des Landes gelobt: Im Etat 2016 gebe man insgesamt 1,9 Milliarden Euro für die Flüchtlingsbetreuung aus. 2017 kämen 1,5 Milliarden, 2018 dann 1,4 Milliarden Euro hinzu. Für die Krankenhäuser flössen bis 2020 mehr als 1,3 Milliarden Euro, in den nächsten beiden Jahren kämen 2160 neue Lehrerstellen hinzu. Anja Piel (Grüne) und Johanne Modder (SPD) ergänzten, in den kommenden zwei Jahren kämen 150 zusätzliche Polizei-Anwärter hinzu. Die Erschwerniszulage für den Polizeidienst in ungünstigen Zeiten werde erhöht – von derzeit 2,73 auf 3,20 Euro je Stunde. Die Gewerkschaft der Polizei, die vor dem Landtag einen Forderungskatalog an Innenminister Boris Pistorius übergab, fordert allerdings fünf Euro.

Oppositionsführer Thümler hielt Rot-Grün schwere Versäumnisse vor. 500 Lehrerstellen, so zeige sich jetzt, könnten gar nicht besetzt werden, weil gute Bewerber fehlten. Die Polizei habe zu wenig Leute, so komme es regelmäßig in Göttingen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsradikalen Gruppen. Die Einbruchskriminalität nehme zu – und das Land verpasse den Anschluss in wichtigen Zukunftsbranchen. Nötig seien mehr Investitionen für den Breitbandausbau: „Wir brauchen ein Datennetz, das bis zur letzten Milchkanne im Land reicht.“ Sorgen bereite, dass VW viele Investitionen in Gebiete außerhalb Niedersachsens verlagere, etwa die Brennstoffzellen-Forschung nach Neckarsulm und die Teststrecke für autonomes Fahren nach Hamburg. „Das ist für die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen ein schwerer Rückschlag.“

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