Darum geht es: Agrarminister Christian Meyer hat gestern den Vorwurf von Bundesagrarminister Christian Schmidt zurückgewiesen, wonach niedersächsische Behörden schon sehr früh vom Fipronil in Eiern aus den Niederlanden gewusst haben sollen. Ein Kommentar von Isabel Christian.

Es sollte Pflicht sein, all jene Stoffe zu prüfen, die auf irgendeine Weise in der Tier- oder Landwirtschaft eingesetzt werden, meint Isabel Christian – Foto: Markus Mainka

Wenn früher Eier bei Wahlkämpfen zum Einsatz kamen, hatte das meist unschöne Folgen für den Kandidaten. Traf das Ei als Wurfgeschoss der Protestler sein Ziel, musste der Politiker erst einmal zusehen, wie er die Pampe abbekam, bevor er weiterreden konnte. In diesem Wahlkampf bewerfen sich zwei Minister zwar nur sinnbildlich mit Eiern, eine Sauerei gibt es aber trotzdem. Und die trifft hauptsächlich die Verbraucher.

In Niedersachsen habe man ja schon seit Mai davon gewusst, dass das Insektizid Fipronil in Eiern gefunden worden ist. Aber gesagt habe man nichts, empörte sich Bundesagrarminister Christian Schmidt am Wochenende in einem Brief an Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer.

Es ist zu vermuten, dass er sich dabei auf ein Schreiben aus dem niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz bezog. Es ist der Befund einer Untersuchung von Ei-Proben, die im Mai in der Grafschaft Bentheim von einem Legehennenbetrieb genommen wurden. Die Forscher hatten darin Rückstände von Fipronil gefunden. Allerdings hat der Bundesminister das Schreiben wohl nicht ganz zu Ende gelesen. Denn die Eier wurden erst Ende Juli auf das Insektizid getestet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Betreiber des Hofes schon zugegeben, dass die Firma Chickfriend seine Ställe mit dem fironilverseuchten Desinfektionsmittel gereinigt hatte.

Offensichtlich konnte sich bis zum Bekanntwerden des Fipronil-Skandals niemand vorstellen, dass jemand verbotene Substanzen in die Lebensmittelerzeugung einbringen könnte

Die Attacke aus dem Bundesministerium mag plump und durchschaubar sein, doch sie offenbart ein grundsätzliches Problem. Offensichtlich konnte sich bis zum Bekanntwerden des Fipronil-Skandals niemand vorstellen, dass jemand verbotene Substanzen in die Lebensmittelerzeugung einbringen könnte. Also hat auch niemand in Erwägung gezogen, dass man die Eier auf mehr als die üblichen Verunreinigungen testen könnte.

Dabei sind die Motive von Chickfriend und Poultry Vision, dem Hersteller des Reinigungsmittels, gar nicht so nebulös. Ein homöopathisches Mittelchen aus Menthol und anderen ätherischen Ölen wirkt nun mal wesentlich effektiver, wenn man ihm die Chemiekeule untermischt, die den Flöhen garantiert den Garaus macht. Und ein effektives Mittel bedeutet volle Auftragsbücher.

Es reicht nicht, sich damit herauszureden, der Einsatz von Fipronil in der Lebensmittel erzeugenden Tierwirtschaft sei verboten. Das dürften Chickfriend und Poultry Vision gewusst haben. Doch ihnen dürfte auch bekannt gewesen sein, dass in den meisten Ländern nicht standardmäßig nach Fipronil gesucht wird. Die Entdeckungsgefahr war also nicht besonders hoch. So war es schließlich auch das Labor eines belgischen Unternehmens, das bei einer Kontrolle der zu verarbeitenden Eier das Gift fand.

Nun können die Gesundheitsbehörden nicht jedes Lebensmittel auf alle Arten von verbotenen Substanzen untersuchen. Doch es sollte Pflicht sein, all jene Stoffe zu prüfen, die auf irgendeine Weise in der Tier- oder Landwirtschaft eingesetzt werden. Fipronil war bis 2013 ein gängiges Insektenschutzmittel in der Pflanzenzucht, bis man herausfand, dass es für Bienen giftig ist. Seither wird Fipronil nur noch bei Saatgut und in Gewächshäusern eingesetzt. Doch damit ist es immer noch simpel, sich das Gift zu besorgen und zu zweckentfremden. Gleiches gilt für andere Stoffe, die in der Nahrungsmittelproduktion zwar verboten sind, aber in anderen Bereichen der Landwirtschaft eingesetzt werden. Beabsichtigt oder nicht, solche Substanzen können leicht in die Kette der Nahrungsmittelproduktion gelangen.

Die Attacke des Bundesministers ist ein trauriger Versuch, jemand anderem die Schuld zuzuschieben. Denn die Verantwortung für den Katalog der Stoffe, auf die Nahrungsmittel überhaupt getestet werden, liegt zweifelsfrei in Schmidts Ministerium. Die Länder sind zwar in der Kontrollpflicht, doch damit jeder das Gleiche testet, hat das Bundesministerium die Aufgabe, zusammen mit den Ländern die Kriterien zu bestimmen. Hier haben offenkundig beide Seiten versagt. Anstatt sich nun also mit Vorwürfen zu bewerfen, wer die Schuld am Fipronil-Skandal trägt, sollten die Minister lieber in die Zukunft blicken und den Katalog der zu testenden Substanzen umschreiben.

 

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