Rot-Grün sucht Rückendeckung im Ringen um Milliarden für Schul-Digitalisierung
Der erste „Digitalpakt“ zum Ausbau der digitalen Infrastrukturen an den Schulen ist am Donnerstag ausgelaufen, ohne dass sich Bund und Länder auf eine Anschlussförderung einigen konnten. Niedersachsens Landesregierung suchte im Landtag nun den parteiübergreifenden Schulterschluss, um ihre Position in den Verhandlungen mit der Bundesregierung zu stärken. Mit einer aktuellen Debatte setzten die Grünen das Thema auf die Tagesordnung und boten auf diesem Weg ihrer Kultusministerin Julia Willie Hamburg die Möglichkeit, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
„Der Bund hat seinen finanziellen Beitrag zu leisten“, sagte Hamburg. Die Digitalisierung der Schulen sei eine Gemeinschaftsaufgabe, „an der sich der Bund auch weiter aktiv finanziell beteiligen muss.“ Dass die Bundesebene ihr Beteiligungsvolumen an der Finanzierung des zweiten Digitalpakts absenken möchte, sei nicht akzeptabel. Ein solches Vorgehen führe dazu, dass die Länder zwar mehr zahlen müssten, in den Schulen aber nicht ein einziger Euro mehr ankommen werde. „Wir sind bereit, uns mehr einzubringen, aber der Bund darf sein Engagement nicht zurückfahren“, forderte Hamburg.
Insgesamt kritisierte sie, dass vonseiten der Bundesregierung nach einer langen Phase konstruktiver Gespräche überraschend Forderungen aufgestellt worden seien, die von den Ländern zurückgewiesen werden müssten. Dazu zählte sie die Ablehnung eines „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“ durch den Bund. Das führe dazu, dass aktuell Antragsteller warten müssten, bis der Bund wieder Gelder zur Verfügung stellt. „Land und Kommunen können diese Förderlücke nicht akzeptieren“, sagte die Ministerin.
Zudem wolle der Bund maßgeblich darauf Einfluss nehmen, wie die Gelder verwendet werden, zum Beispiel um Fortbildungen für die Lehrer anzubieten, was längst geschehe. „Wir brauchen keine Hausaufgabenhilfe vom Bund, sondern eine verlässliche Finanzierung.“ Auch wolle der Bund, dass die Gelder nicht mehr für Investitionen eingesetzt werden, sondern zur Kompensation von Mitteln, die das Bundesbildungsministerium nicht mehr vom Bundesfinanzministerium finanziert bekomme. Auch ein kommunaler Anteil solle wegfallen zugunsten eines höheren Länderanteils.
„Wir brauchen dringend eine Lösung. Ihre Ampel-Kollegen in Berlin müssen liefern.“
Die Notwendigkeit einer zügigen Einigung belegte Hamburg mit einer Zahl: 3500 Anträge lägen dem Kultusministerium vor, die mit den noch vorhandenen Mitteln als dem ersten Digitalpakt nicht mehr zu finanzieren seien. Den ersten Digitalpakt bezeichnete die Kultusministerin als „riesigen Erfolg“. „Der ‚Digitalpakt 1‘ ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte, ganz gleich aus welcher Feder er stammt“, gab sie sich parteiübergreifend versöhnlich.
Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor daran erinnert, dass die Kombination aus Bundes- und Landesförderung zur Finanzierung der Digitalisierung an den Schulen eine Erfindung ihrer Partei gewesen sei. Der CDU-Bildungspolitiker Lukas Reinken hatte zudem Pascal Mennen von den Grünen „in der Opposition willkommen“ geheißen. Schließlich seien die jetzt gegen die aktuelle Politik des Bundes protestierenden Grünen doch immer noch Teil der Bundesregierung, ebenso die SPD – und die haushaltspolitischen Sprecher der beiden Bundestagsfraktionen kämen zudem noch aus Niedersachsen. „Wir brauchen dringend eine Lösung und Mittel im Bundeshaushalt. Ihre Ampel-Kollegen in Berlin müssen liefern“, sagte Reinken.
„Die Schuldenbremse ist ein historischer Fehler, für den wir noch viele Jahre bezahlen werden.“
Grünen-Kultuspolitiker Mennen hatte in der Debatte zuvor deutlich gemacht, dass es nicht die Bildungs-, sondern die Finanzpolitiker seien, die einer auskömmlichen Anschlussfinanzierung im Wege stünden. Er sagte, er vertraue zwar den Akteuren im Bund, nicht aber dem Bundesfinanzministerium, und forderte eine Reform der Schuldenbremse. „Die Schuldenbremse ist ein historischer Fehler, für den wir noch viele Jahre bezahlen werden.“
Mennen forderte den Bund auf, die Verhandlungen mit den Ländern zügig weiterzuführen und für Planungssicherheit bei Schulen und Schulträgern zu sorgen. Zudem sollte aus dem ersten Digitalpakt gelernt und das Förderspektrum erweitert werden. Außerdem müsse der Fördertopf auskömmlich finanziert werden, die Gelder sollten nachhaltig und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Kirsikka Lansmann (SPD) pflichtete dem bei und betonte, die Lehrkräfte hätten keine Zeit, aufwendige Konzepte zu entwickeln und komplizierte Anträge zu stellen, um an die Fördergelder zu gelangen.
AfD wittert Vorwand, um Kooperationsverbot aufzuweichen
Kritisch betrachtete Harm Rykena von der AfD-Fraktion die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern. Die Digitalpakt-Mittel seien allein als Anschubfinanzierung vorgesehen, Rykena sprach von einem „Anfixen“. Länder und Kommunen seien anschließend aber nicht in der Lage, die Folgekosten für Fachpersonal, Schulungen oder den Austausch der Infrastruktur zu tragen. Er wittert einen Vorwand, um das Kooperationsverbot aufzuweichen, das es dem Bund bislang verbietet, Bildungsmaßnahmen zu finanzieren.
Rykena griff die Frage auf, ob eine Änderung des Grundgesetzes nötig werden könnte. Aktuell beriefe sich der Bund auf Artikel 104c, wonach der Bund bei der Finanzierung „gesamtstaatlich bedeutsamer Investitionen“ unterstützen darf. Der Bund wolle den zweiten Digitalpakt nun auf Artikel 91c fußen lassen, wonach Bund und Länder „bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb der für ihre Aufgabenerfüllung benötigten informationstechnischen Systeme zusammenwirken“ können. In den Ländern werde aber eine steuerliche Finanzierung nach Artikel 106 des Grundgesetzes favorisiert, die den Bund inhaltlich stärker außenvorhalten würde.
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