Risiken und Nebenwirkungen
Darum geht es: Siemens und Alstom schließen sich im Zuggeschäft zusammen. In Niedersachsen betrifft die Fusion rund 5500 Mitarbeiter. Ein Kommentar von Martin Brüning.
In der Landespolitik sind die Bewertungen positiv. Drei Wochen vor der Wahl möchte natürlich niemand Zweifel an einer Fusion anmelden, die mehrere tausend Mitarbeiter im Land betrifft. Es werden die Chancen der Fusion betont, gerade auch im Wettbewerb mit dem chinesischen Eisenbahnriesen CRRC. Die Beschäftigungsgarantie für die Alstom- und Siemens-Mitarbeiter soll allerdings nur für vier Jahre gelten. Wenn es doch zu Entlassungen kommt, betrifft das die Politik im Jahr vor der nächsten Landtagswahl. Auch nicht viel besser.
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Natürlich geht es bei so einer Fusion um Einsparpotenziale, schließlich wildern Alstom und Siemens in der Branche in weiten Teilen im selben Segment. Deshalb wird das Management bereits ab dem ersten Tag der Fusion nach möglichen Einsparpotenzialen suchen. Alles andere würde auch gar keinen Sinn ergeben. Inzwischen gibt es erste Schätzungen, nach denen insgesamt 3000 Jobs gestrichen werden könnten.
Es mag durchaus sein, dass die Fusion in einem knallharten weltweiten Wettbewerb sinnvoll oder sogar geradezu unvermeidbar ist. Die Risiken und Nebenwirkungen sollten dennoch nicht übersehen werden. So wird es nach einem Zusammenschluss, der keine Liebesheirat ist, die typischen Reibungsverluste einer Fusion geben. Das betrifft diese Fusion umso mehr, als dass hier deutsche und französische Managementmentalitäten aufeinanderprallen werden. Die Franzosen mögen es gerne zentral und hierarchisch, die Deutschen gerne dezentral und kooperativ. Auch die Besetzung der Management-Posten wird nach einer Fusion komplizierter.
Und es bleibt die Frage nach den Aufträgen der kommenden Jahre. Die Auftragsbücher könnten besser gefüllt sein – allein die Fusion wird daran erst einmal nichts ändern. Anders als in manch anderen Branchen ist der Schritt in Märkte außerhalb der Europäischen Union schwer. Zwar drängen die Chinesen mit aller Kraft und staatlicher Alimentierung nach Europa, aber in China gibt es umgekehrt kein Interesse an europäischen Zügen. Der Grund dafür ist simpel: sie sind viel zu teuer. In der Bahnindustrie, die heute noch das Label „old economy“ tragen kann, ist viel Handarbeit in der Produktion angesagt. Dadurch spielen die Löhne eine größere Rolle. Ein Schnellzug des chinesischen Konzerns CRRC kostet deshalb nur halb so viel wie ein ICE von Siemens. Ein großes Manko in der Wettbewerbsfähigkeit.
Alstom und Siemens werden nur über eine Technologieführerschaft „Made in Europe“ erfolgreich sein können. Dazu gehört aber auch, dass die Kunden – in vielen Fällen der Staat – die Bereitschaft haben müssen, dafür entsprechend zu zahlen. Geht es beim Kauf neuer Züge in Zukunft vor allem nach dem Preis, wird auch die Fusion nicht weiterhelfen. Mit den Preisen osteuropäischer oder chinesischer Anbieter werden Alstom und Siemens auch nach dem Zusammenschluss nicht mithalten können.