Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer hat die Ringelschwanzprämie als erfolgreiches Projekt für die Tiere bezeichnet. „Wir haben es geschafft, Tierleid zu verhindern und gezeigt, wie man mit einer Honorierung zu einer besseren Schweinehaltung im Land kommt“, sagte Meyer zur Bilanz nach einem Jahr. In den vergangenen zwölf Monaten haben sich 86 Betriebe mit fast 81.000 Mastschweinen an dem Projekt beteiligt. Bei 91 Betrieben wurde vor Ort kontrolliert. Dabei erfüllten 94,5 Prozent der Betriebe, die Mindestanforderungen, wonach 70 Prozent der Ringelschwänze intakt sein müssen. Dabei gab es zwischen konventionellen und Öko-Betrieben nur geringfügige Unterschiede. 5,5 Prozent der geprüften Betriebe fielen durch und bekamen dementsprechend auch keine finanzielle Förderung.

„Jeder ist ein bisschen Schwein“, sagte mal Adriano Celentano

„Jeder ist ein bisschen Schwein“, sagte mal Adriano Celentano

„Mit dem Tierschutzplan sind wir in Deutschland führend und Beispiel gebend für andere Länder“, sagte Thomas Blaha von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Wesentlich sei, dass ein Konsens zwischen Politik, Tierschützern, Tierhaltern und Wissenschaft gesucht werde. „Inzwischen wissen wir sehr viel mehr als zu Beginn. Die Intensität der Tierbeobachtung und Betreuung gehört zu den wichtigsten Faktoren“, erläuterte Blaha. Der Landwirt Timo Jürgens aus Ostercappeln, dessen Betrieb an dem Projekt teilgenommen hat, beschrieb, was er im Stall verändern musste. „Wir brauchten unter anderem etwas mehr Platz, Raufutter in Form von Heu und Beschäftigungsmaterialien.“ Dabei habe er gemerkt, dass seine Tiere kein Interesse an einer Spielwippe hatten, stattdessen hat Jürgens jetzt Kautschuk-Kaustäbe, um die Schweine zu beschäftigen.

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Heinrich Dierkes von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hält das Expertennetzwerk für den richtigen Weg. Er mahnte an, das Ordnungsrecht nur behutsam einzusetzen. „Ansonsten gehen Strukturen sehr schnell verloren“, sagte Dierkes und verwies auf Schweden, wo durch scharfe ordnungsrechtliche Regelungen 50 Prozent der Produktion verloren gegangen seien. Dabei gehe es auch um den internationalen Wettbewerb. „Tierwohl und Tierschutz spielen in Spanien, auf dem Balkan und in den osteuropäischen Ländern eine ganz andere Rolle. Der Handel in Deutschland kann zahlenmäßig aber gar nicht auf Fleisch aus Spanien verzichten“, so Dierkes. Agrarminister Meyer versicherte, solange es einen EU-einheitlichen Markt gebe, gehe Niedersachsen den Weg der Förderung, anstatt mit der Ordnungskeule zu kommen.  „Ansonsten vertreiben wir die Betriebe ins Ausland.“ Es müsse gemeinsam mit den Supermärkten aber noch einmal besprochen werden, wie die beteiligten Betriebe am Markt mehr Geld erzielen können.

Kritik äußerte Dierkes am Baurecht und sprach von einem Riesendilemma. „Das aktuelle Emissions- und Baurecht sowie die deutsche Gründlichkeit kappen uns die Innovationen. Wir sind in einem Korsett eingeengt.“ Ställe mit Auslaufhaltung seien, außer in ganz glücklichen Lagen, mit dem jetzigen Recht nicht zu machen. Dadurch seien viele Verbesserungen nicht möglich. Timo Jürgens berichtete, Baurecht könne im Zweifelsfall auch Tierwohl verhindern. „Wenn man in einem Stall mal eine Wand wegreißen muss, ist die Baugenehmigung futsch. Man bekommt deshalb schon den Rat: Lass da bloß die Finger von und produziere darin so lange weiter, wie es geht. Es wäre hilfreich, wenn das unbürokratischer gehen würde.“ Meyer sagte, er sehe das Dilemma. Deshalb setze sich Niedersachsen derzeit in einem interministeriellen Arbeitskreis dafür ein, entsprechende Umbauten zu erleichtern.

Das Projekt der Ringelschwanzprämie geht nun in die zweite Phase. Dafür haben 156 Betriebe mit 207.000 Schweinen die Förderung beantragt. Damit wird sich die Zahl der Tiere in dem Projekt voraussichtlich mindestens verdoppeln. Meyer erteilte Forderungen des Landvolks, die Prämie von 16,50 Euro pro Tier um weitere 13,50 Euro aufzustocken, eine Absage. „Rechtlich ist das nicht möglich. Das ist eine EU-Maßnahme und man kann die Summe deshalb nicht willkürlich nach oben setzen.“ Betriebe, die auch eine eigene Ferkelaufzucht haben, könnten in Zukunft 21,50 Euro pro Schwein mit intaktem Ringelschwanz bekommen. Damit werde nun das Maximum ausgeschöpft. Es könne keine „beliebige Überförderung“ geben.

Lars Prigge vom Arbeitskreis Sauenhaltung im Landvolk sieht Niedersachsen derweil auf einem missionarischen Weg, die Tierhalter zur Umstellung zu bewegen. Schon deutschlandweit sei das Tempo sehr ambitioniert, aber bereits im europäischen Ausland sei der Ringelschwanz in den meisten großen Erzeugungsländern kein Thema. Er befürchtet, dass die deutschen Ferkel durch Tiere aus weniger ambitionierten Ländern ersetzt werden.