Gibt es eine zu große Nähe zwischen der Staatskanzlei und dem Volkswagen-Konzern? Einem Medienbericht zufolge soll der Autokonzern inhaltlich Einfluss auf eine Rede Weils im niedersächsischen Landtag genommen haben. Die CDU im Landtag forderte gestern den Rücktritt von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Dieser spricht von einer bodenlosen Unterstellung.

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Am 13. Oktober hatte Weil den Landtag in einer Regierungserklärung über die VW-Dieselkrise unterrichtet. Zuvor hatte Regierungssprecherin Anke Pörksen den Redeentwurf der Staatskanzlei an den VW-Cheflobbyisten und früheren SPD-Regierungssprecher Thomas Steg gemailt. VW möge prüfen, ob in der Rede etwas enthalten ist, „was so gar nicht Euren faktischen oder rechtlichen Erkenntnissen entspricht“, heißt es darin. Einem Bericht der „Bild am Sonntag“ zufolge wurde die Rede in Wolfsburg dann aber nicht nur unter rechtlichen Aspekten geprüft. Sie sei „umgeschrieben und weichgespült“ worden, sagt ein VW-Mitarbeiter. Dabei soll sogar ein Mitarbeiter der VW-Kommunikation „moralische Bedenken“ geäußert haben. Man könne schließlich nicht die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten redigieren und verändern. Aus der Staatskanzlei heißt es, „ein Teil der Anregungen sei aufgegriffen worden“.

Weil nahm vor der Staatskanzlei zu den Vorwürfen Stellung – Foto: KW

In seiner Rede, rund einen Monat nach dem Eingeständnis von Volkswagen, betrogen zu haben, sagte Weil dann zum Beispiel: „Volkswagen ist eine Perle der deutschen Industrie, und es lohnt sich, für dieses Unternehmen zu kämpfen.“ Dies führte zu Beifall bei SPD, Grünen, aber auch Teilen der CDU. Ebenso das Zitat: „Die modernen Produkte von Volkswagen sind gerade in ökologischer Hinsicht von einer hohen, einer sehr hohen Qualität gekennzeichnet. Über den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Pötsch heißt es: „Herr Pötsch hat einen hohen Erfahrungsschatz, eine bemerkenswerte Integrationskraft innerhalb des Konzerns und verfügt über einen ausgeprägten strategischen Weitblick.“ Auch das Büro von Pötsch hatte vor der Regierungserklärung noch einmal über die Rede schauen können. Am 12. Oktober 2015, einen Tag vor der Regierungserklärung, erreichte die Staatskanzlei eine E-Mail aus dem Büro des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden. Darin sendet der Leiter des Büros das Redemanuskript mit „einigen wenigen Änderungen als Vorschlag“, so heißt es in der Mail, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt.

CDU: Der Konzern kontrolliert die Landesregierung – nicht umgekehrt

Pressemitteilungen, Erklärungen oder sonstige Veröffentlichungen zur VW-Krise seien zum damaligen Zeitpunkt regelmäßig Herrn Steg zur Kenntnis gegeben worden mit der Bitte um Überprüfung auf faktische oder rechtliche Bedenken, hieß es am Sonntag aus der Staatskanzlei. Weil selbst sagte, VW sei im Oktober 2015 in einer dramatischen Situation gewesen, vor allem wegen juristischer Verfahren in den USA. „Es verstand sich hier von selbst, dass ich bei öffentlichen Äußerungen in dieser Sache besondere Sorgfalt walten lasse“, so Weil. Die Hinweise aus Wolfsburg seien zum Teil berechtigt gewesen, zum Teil auch nicht. „Im Kern ist der Text, den ich verfasst hatte, unverändert geblieben – das gilt insbesondere für die klare und harte Kritik an den Diesel-Manipulationen“, so der Ministerpräsident. „In der Rückschau bin ich der Auffassung, dass ich mich richtig verhalten habe.“ Die Vorgänge seien seit etwa einem Jahr bekannt. Dass sie jetzt derart dargestellt werden, habe viel mit Wahlkampf zu tun.

Natürlich müsse man sich juristisch beraten lassen, meint der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer. Aber doch nicht von Volkswagen. „Es ist ein Skandal, dass die Landesregierung beim Cheflobbyisten anruft. Das ist die Fortsetzung der Vergabeaffäre“, sagt Toepffer im Gespräch mit dem Rundblick. „Inzwischen kontrolliert Volkswagen die Landesregierung und nicht mehr die Landesregierung den Konzern.“