In der hannoverschen Rathausaffäre, die vom Zerwürfnis zwischen Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) und dem Kulturdezernenten Harald Härke geprägt ist, gibt es nun eine Wendung. Es steht der Verdacht im Raum, dass Härke vor allem deshalb in der Rathausspitze auf Ablehnung stieß, weil er sich gegen eine Höherstufung von Schostoks Büroleiter Frank Herbert wehrte.

Seit Monaten belastet eine Rathausaffäre die Politik in der Landeshauptstadt

Nach Informationen des Politikjournals Rundblick war für Herbert eine Zulage für sein B2-Gehalt (7233 Euro monatlich) faktisch auf B7 (9577 Euro monatlich) und einer pauschalen Überstundenvergütung von 80 Stunden im Monat die Rede. Härke, der bis vor wenigen Monaten als Personaldezernent für diese Fragen zuständig war, hat sich, wie aus einem Mail-Verkehr hervorgeht, offenbar dagegen gesträubt – und so spitzte sich der Konflikt zwischen den beiden Männern zu. Härke war im vergangenen Jahr wegen einer anderen Personalsache ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Er soll versucht haben, seiner ebenfalls im Rathaus beschäftigten Lebensgefährtin eine neue Tätigkeit zuzuweisen.

Als das bekannt wurde, ging Schostok zunehmend auf Distanz zu Härke, Schostok entzog ihm die Zuständigkeit für Personalfragen. Die SPD im Rat möchte Härke abwählen, bräuchte für die nötige Zweidrittelmehrheit aber das Ja der CDU – die  weigert sich bisher, da dies mit einer eindeutigen Schuldzuweisung an Härke verbunden wäre und Härke damit zum Sündenbock einer Affäre gemacht würde, in der tatsächlich wohl mehrere Fehler begangen haben und die Führungsschwäche des Oberbürgermeisters offenkundig wird.

Jetzt steckt auch die Landespolitik mit drin

Pikant wird die Affäre nun mit der Beteiligung von Spitzen der Landespolitik. Ein Mail-Wechsel von vor mehreren Monaten, der drastisch zeigt, wie sehr Herbert auf eine bessere Bezahlung pochte und Härke sich dagegen zierte, landete Ende 2017 durch anonyme Zuspielung bei CDU-Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer. Dieser ging damit nicht an die Öffentlichkeit, sondern zog Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ins Vertrauen, der die Sache wiederum an Schostok weiterleitete. Das geschah im Februar, seitdem herrschte Funkstille.

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Vor wenigen Tagen nun wurde bekannt, dass Herbert und die Spitze der Stadtverwaltung Strafanzeige gegen Härke gestellt haben – da sie ihn verdächtigen, den Herbert belastenden Mail-Verkehr an mehrere Stellen (unter anderem Toepffer, aber auch einige Medien) weitergegeben zu haben. Damit wird versucht, nicht etwa die Gehaltsforderungen des Büroleiters, sondern einen angeblichen Verrat von Dienstgeheimnissen von Härke in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. So titelte die Hannoversche Allgemeine am Sonnabend: „Geheimnisverrat im Rathaus? Strafanzeige gegen Härke“. Die Vermutung allerdings, Teile von Herberts Personalakte seien öffentlich geworden, ist wohl falsch – angeblich ist der Mail-Verkehr nicht Teil der Personalakte. Ist der Hinweis auf den Geheimnisverrat also nur ein Ablenkungsmanöver und ein Versuch, Härkes Position weiter zu destabilisieren?

Die Gehaltsforderungen von Herbert, der wohl gern Dezernent geworden und damit nach B7 besoldet worden wäre, sind offenbar intern auf Widerspruch gestoßen. Die Anhebung eines B2-Gehaltes über Zulagen wäre bis maximal B3 möglich, für weitere Aufstufungen wäre eine Genehmigung des Innenministeriums erforderlich. Wie es heißt, hat es diese im Fall Herbert auch schon gegeben. Er bekomme zu seinem B2-Gehalt eine Aufstockung, die ihn de facto schon auf B5 hebt (8621 Euro monatlich). Dies ist rechtlich wohl einwandfrei.

Überrascht und schockiert: So reagieren Grüne und FDP

Bei Grünen und FDP schüttelt man den Kopf über die aktuelle Situation. Belit Onay, Innenpolitiker der Grünen-Landtagsfraktion, nennt die Entwicklungen nicht nur überraschend, sondern auch schockierend. „Das ist ein politisches Fiasko, auch in der Großen Koalition im Land. Was die Herkunft der Papiere angeht, steht bei Stephan Weil und Dirk Toepffer Aussage gegen Aussage. Einer von beiden sagt offenbar nicht die Wahrheit“, sagte Onay dem Politikjournal Rundblick. Er nennt den ganzen Vorgang „unwürdig“. Das erwecke wieder das Bild von Gemauschel in der Politik und sei Wasser auf die Mühlen der Politikverdrossenen. Die Landtagsgrünen wollen darüber beraten, ob sie möglicherweise eine Unterrichtung in gleich zwei Landtagsausschüssen beantragen werden. Es müsse auch im Interesse der Landesregierung sein, bei diesem Vorgang klar Schiff zu machen. Für Patrick Döring, Vorsitzender der FDP Hannover, wird der Schaden für die Stadt und deren Verwaltung immer größer. „Es hat schon eine besondere Ironie, dass der Vorgang ausgerechnet zum Start der Datenschutzgrundverordnung publik wird“, sagte Döring dem Rundblick. Die Mitarbeiter der Stadt müssten den Eindruck haben, dass die Gefahr bestehe, dass vertrauliche Personalinformationen nicht vertraulich blieben. Döring geht davon aus, dass von interessierter Seite versucht wird, sowohl Oberbürgermeister Stefan Schostok als auch seinem Vorgänger Stephan Weil zu schaden