(rb) Hannover/Goslar. Gehen Ministerpräsident Stephan Weil und seine Kultusministerin Frauke Heiligenstadt in der Bildungspolitik Hand in Hand? Während der Regierungschef am Mittwoch in Goslar den diesjährigen Philologentag mit einer Rede zur Zukunft der Gymnasien im Land eröffnete, empfing die Kultusministerin etwa 250 Fachleute der Beruflichen Bildung auf dem hannoverschen Expo-Gelände zu einer einschlägigen Fachtagung. Genauso gut hätte es andersherum sein können, war es aber nicht. Vermutlich, um für bessere Stimmung bei den Gymnasiallehrer/innen zu sorgen, den Landesvater nicht mit leeren Händen dastehen zu lassen, oder aber als Zeichen ihrer Hausmacht kündigte Heiligenstadt am Dienstagnachmittag noch rasch ein „Dialogverfahren“ zur Arbeitsbelastung von Lehrkräften, Schulleitungen und anderem pädagogischen Personal in Schulen für das kommende Jahr an. Geplant ist u.a. eine Online-Befragung der rund 86 000 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Niedersachsen sowie ein Expertenforum zu den verschiedenen Tätigkeitsfeldern von Lehrkräften. Am Ende sollen sich Lehrkräfte wieder auf das Wesentliche – den Unterricht und die Arbeit mit den Schüler/innen – konzentrieren können, Schulleitungen mehr Spielraum für die pädagogische Arbeit erhalten. Weil griff den Ball ins Goslar auf, lobte die von Heiligenstadt geplante ernsthafte Aufgabenkritik als einzige Chance, die Qualität an den Schulen weiter voranzubringen. Eigene Akzente setzte Weil, indem er u.a. dafür warb, auch an den Gymnasien die Berufsorientierung ernsthaft anzugehen, das Lehren und Lernen vor allem in Mathematik, aber auch in den anderen MINT-Fächern wieder zu vertiefen und junge Menschen stärker mit Gedächtnis- und Konzentrationsübungen zu konfrontieren. Philologen-Verbandschef Horst Audritz erinnerte den Ministerpräsident an seine Regierungserklärung von 2013. Damals hatte Weil bereits „mehr Qualität in unserem Bildungswesen“ gefordert. Die seither vom Kultusministerium betriebene „Erleichterungspädagogik“ bewirke allerdings genau das Gegenteil, kritisierte Audritz und nannte als „besonders groteskes Beispiel“ den Verordnungsentwurf, nach dem Gymnasialschüler/innen trotz zweimaliger Nichtversetzung hintereinander in die nächsthöhere Klassenstufe aufsteigen können. Die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung und der 2. Fremdsprache in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe oder die Reduzierung schriftlicher Lernkontrollen werde mit Sicherheit nicht jene Schulqualität schaffen, die Weil fordere und die im Interesse der gesamten Gesellschaft liege, meinte der Philologenverbandsvorsitzende.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #219.