Der Vize-Fraktionschef der CDU im Landtag und profilierte Innenpolitiker Uwe Schünemann will eine verpflichtende Überprüfung aller Bewerber für den öffentlichen Dienst. Wer Polizist, Richter, Lehrer oder Staatsanwalt werden wolle, müsse es hinnehmen, dass zuvor beim Verfassungsschutz nach möglichen Erkenntnissen über ihn gefragt werde. Schünemann äußert sich im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

 Rundblick: Herr Schünemann, in den siebziger Jahren gab es den Radikalenerlass. Mitglieder bestimmter extremistischer Organisationen konnten nicht in den öffentlichen Dienst übernommen werden, es gab teilweise intensive Überprüfungen. Heute wird das oft kritisch beurteilt, wie sehen Sie das?

Schünemann: Es kann nicht darum gehen, den Zugang zum öffentlichen Dienst an die Mitgliedschaft in einer zugelassenen Partei zu koppeln, wie es damals geschah. Notwendig ist unbedingt eine Einzelfallüberprüfung, die es seinerzeit oft nicht im ausreichenden Maß gegeben hat. Aber viele von denen, die den „Radikalenerlass“ heute als „Berufsverbot“ diskreditieren, tun ganz so, als sei eine Überprüfung von Bewerbern für den Staatsdienst auf ihre Verfassungstreue als solche entbehrlich. Davor kann ich nur warnen.


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Rundblick: Warum?

Schünemann: Aus zwei Gründen. Erstens nimmt die Zahl der Extremisten zu, bundesweit werden diese auf 32.000 bei den Rechtsextremisten, 33.000 bei den Linksextremisten und 28.000 bei den Islamisten geschätzt. Zweitens wollen viele von ihnen den „Marsch durch die Institutionen“ antreten und den Staat verändern, indem sie dort Schlüsselpositionen besetzen. Hier ist vor allem bei den Rechtsextremisten die besondere Affinität zum Staat und seinen Einrichtungen bedeutsam. In Einzelfällen konnten in den vergangenen Jahren Polizeianwärter und Nachwuchsrichter mit rechtsextremistischen Verhaltensweisen ausfindig gemacht werden. Ob hier Netzwerke entstanden sind oder zumindest geplant wurden? Wir wissen es nicht, aber es sollte alles unternommen werden, die Gefahr frühzeitig zu unterbinden.

Wer gibt denn freiwillig an, in bestimmten Kreisen zu verkehren, wenn er doch genau weiß, damit seinen erstrebten Zugang zum öffentlichen Dienst zu gefährden?

Rundblick: Und warum reicht das bisherige Verfahren nicht, nämlich die Angabe jedes Beamtenanwärters auf mögliche Verbindungen zu extremistischen Organisationen in einem Fragebogen?

Schünemann: Das macht die Überprüfung doch zur Farce. Wer gibt denn freiwillig an, in bestimmten Kreisen zu verkehren, wenn er doch genau weiß, damit seinen erstrebten Zugang zum öffentlichen Dienst zu gefährden? Die Anfrage beim Verfassungsschutz ist notwendig, damit die dortigen Erkenntnisse in die Beurteilung einfließen können – wenn beispielsweise jemand wiederholt durch antisemitische Parolen aufgefallen ist oder an rassistischen Demonstrationen teilgenommen hat. Mich wundert es, dass nicht schon längst solche Regelüberprüfungen laufen – oder vielmehr, dass sie nicht mehr laufen. Entsprechende gesetzliche Regelungen sind daher überfällig.

Rundblick: Auch in Niedersachsen? Zieht der Koalitionspartner SPD dabei mit?

Schünemann: Wir haben uns in diese Richtung grundsätzlich geeinigt, ich warte gespannt auf entsprechende Vorschläge, die Innenminister Boris Pistorius angekündigt hat.

Aktuell geht es heute darum, die Unterwanderung des öffentlichen Dienstes durch extremistische Gruppen frühzeitig zu verhindern.

Rundblick: Es geht doch vor allem um Polizisten, oder?

Schünemann: Ich finde, es wäre falsch, dies auf eine Gruppe im öffentlichen Dienst zu beschränken. Die Verfassungstreue eines Beamten, der Waffen trägt, ist nicht bedrohlicher als die von Beamten, die unbewaffnet sind. Außerdem: Würde man die Überprüfung auf Polizisten und Soldaten konzentrieren, hätte man implizit den Verdacht ausgesprochen, bei der Polizei und in der Bundeswehr gäbe es besonders viele Menschen, die für Extremismus anfällig sind. Für eine solche Stigmatisierung aber gibt es nicht den geringsten Grund. Außerdem kann bei Richtern, Staatsanwälten und Lehrern eine verfassungsfeindliche Einstellung nicht eher in Kauf genommen werden als bei Beamten im Sicherheitsdienst. Für alle ist eine Identifikation mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung von ganz herausragender Bedeutung. Deshalb führt an einer Regelabfrage für alle Bewerber für den öffentlichen Dienst kein Weg vorbei.

Rundblick: Kritiker werden einwenden, dies sei die Wiederauferstehung der Gesinnungsprüfung, die mit dem Radikalenerlass einhergegangen sei…

Schünemann: Gern wird der Radikalenerlass heute verzerrt dargestellt – und diejenigen, die als DKP-Mitglieder nicht Beamte werden durften, werden als Opfer beschrieben. In Einzelfällen mag das so sein, aber wir dürfen doch bitte nicht vergessen, dass die DKP zu jener Zeit von der DDR finanziert wurde, den Umsturz plante und sogar – wie der Rundblick unlängst beschrieben hatte – eine para-militärische Einheit unterhielt. Bestimmte Zusammenhänge werden beim Blick zurück heute gern ausgeblendet. Aktuell geht es heute darum, die Unterwanderung des öffentlichen Dienstes durch extremistische Gruppen frühzeitig zu verhindern. Dass eine solche Gefahr droht, ist gerade mit Blick auf den Rechtsextremismus in den vergangenen Wochen wiederholt deutlich geworden.

Rundblick: Sind andere Länder hier schon weiter als Niedersachsen?

Schünemann: Bayern hat die Regelanfrage schon seit 2016. Die sind uns also voraus.