Polizei erklärt: Wir stoßen gerade zu Silvester auf wachsende Gewaltbereitschaft
Noch am Neujahrstag hatte das Innenministerium die Nachricht verbreitet, man könne „einen einsatzintensiven und dennoch weitestgehend friedlichen Jahreswechsel feststellen“. Inzwischen nun, fast drei Wochen später, ist das Entsetzen über einige Ausschreitungen dennoch groß. Gestern berichtete Ralf Leopold, der Landespolizeidirektor, im Innenausschuss des Landtags. Er meinte, dass die Konzeption der Polizei im Wesentlichen erfolgreich gewesen sei. Man habe aber wie schon in den Jahren zuvor mit einer „wachsenden Gewaltbereitschaft zu tun, die sich nicht nur zu Silvester äußert“. Die Polizei allein könne das „nicht abwenden“, es handele sich hier um „ein gesamtgesellschaftliches Phänomen“. Zum Jahreswechsel wurden landesweit 54 Straftaten ermittelt, die unter der Überschrift „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ verbucht werden. 38 dieser Taten seien inzwischen aufgeklärt worden, und in 39 Fällen habe es sich um Widerstand gegen Polizisten gehandelt. Insgesamt seien 25 Polizeibeamte verletzt worden, man habe 75 Tatverdächtige erfasst.
Einen besonders drastischen Fall gab es in Laatzen (Region Hannover). Mit einem Alarmruf war ein Feuerwehrfahrzeug in einen Hinterhalt gelockt und dann von einer Gruppe von 30 Jugendlichen mit Steinen beworfen und mit Eisenstangen traktiert worden. Als die eilig herbeigerufene Polizei erschien, hätten sich die Jugendlichen schon entfernt. Außerdem sei in der Nacht in Laatzen der Fahrer eines Abschleppwagens angegriffen und verletzt worden, die Straßenbahnhaltestelle in dem Zentrum sei mit Steinen beworfen und beschädigt worden. Man habe in Laatzen 21 Strafverfahren gegen mehrere Beschuldigte eingeleitet. Der AfD-Abgeordnete Stephan Bothe fragte nach, ob der Angriff auf das Feuerwehrfahrzeug juristische Folgen für die Täter gehabt habe. „Hat man die Tatverdächtigen ermittelt – und sind gegen sie Verfahren eingeleitet worden? Stimmt der Hinweis, dass offenbar nur ein Polizeifahrzeug erschien, nachdem die Polizei gerufen wurde?“ Darauf sagte Leopold, in diesem Fall würden „die Ermittlungen noch laufen“, er könne daher zu Details noch nichts sagen. Bothe erwiderte, es gebe von dem Angriff auf das Feuerwehrautos sogar Videos, die im Netz verbreitet wurden. Das könne doch die Aufklärung erleichtern. Bothe verwies auch auf Stellungnahmen des GdP-Landesvorsitzenden Kevin Komolka und von Verdi-Feuerwehrsprecher Mario Kaatz, die am Neujahrstag beklagten, dass man seit Jahren auf die wachsende Gewalt gegen Einsatzkräfte hinweise und besseren Schutz fordere, aber erleben müsse, dass „bisher nichts passiert ist“.
Nach Darstellung von Leopold sind etwa am Steintor in Hannover Polizisten mit Feuerwerkskörpern angegriffen worden, obwohl dort eine „Böllerverbotszone“ erklärt worden war. In Göttingen habe es eine zunächst friedliche Demonstration mit rund 50 Teilnehmern gegeben, aus deren Mitte plötzlich Polizisten mit Pyrotechnik angegriffen worden seien. Eine Schreckschusspistole wurde benutzt, eine Polizeibeamtin habe ein Knalltrauma erlitten. Auch in Hameln habe es Übergriffe auf die Polizei gegeben. Michael Lühmann (Grüne) meinte, die hohe Aufklärungsquote der Straftaten sei beruhigend, erschütternd bleibe der Angriffe auf das Feuerwehrfahrzeug in Laatzen. Birgit Butter (CDU) berichtete aus Stade, dass sich Feuerwehrkameraden nicht mehr in bestimmte Gegenden trauten, da sich dort gewaltbereite Jugendliche zusammenrotteten. Ulrich Watermann (SPD) meinte, das Verhalten junger Männer, die zu Silvester zunehmend gewalttätig seien, beobachte man „schon seit 15 Jahren“. Dabei spiele offenbar auch der übermäßige Alkoholgenuss eine Rolle.
Bauern und Linksextremisten: Leopold berichtete auch über zwei andere Polizeieinsätze. In der Protestwoche der Bauern habe es 210 Straftaten (vorwiegend Nötigung im Straßenverkehr) und 284 Ordnungswidrigkeiten (auch Straßenverkehrsdelikte) gegeben. Beim Einsatz der Polizei gegen die Besetzer eines Waldstücks am Südschnellweg in Hannover gab es mehrere verletzte Polizisten, da Demonstranten der linksextremen Szene Widerstand gegen die Polizei leisteten. Polizisten wurden mit Beuteln beworfen, die mit Urin gefüllt waren.
Dieser Artikel erschien am 19.01.2024 in der Ausgabe #010.
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