Pistorius will Bootsflüchtlinge aufnehmen, Althusmann ist skeptisch
Soll Niedersachsen auch Flüchtlinge des seit Tagen im Mittelmeer kreuzenden Rettungsschiffes „Lifeline“ aufnehmen oder nicht? Innenminister Boris Pistorius hatte gestern kurzfristig vor Journalisten erklärt, dass Niedersachsen an Bundesinnenminister Horst Seehofer das Angebot unterbreite, eine begrenzte Anzahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Das habe er am Dienstag mit Ministerpräsident Stephan Weil abgesprochen. Kurz nach der Ankündigung von Pistorius meldete sich jedoch Bernd Althusmann als CDU-Landesvorsitzender und stellvertretender Ministerpräsident zu Wort und bezeichnete die Aktion als „vorschnell“ und nicht mit dem Koalitionspartner abgestimmt. „Ich habe davon abgeraten, Flüchtlinge vorschnell landesseitig von diesem Schiff aufzunehmen“, schreibt Althusmann. Gegen die Prüfung einer Aufnahme spräche nichts, aber er sei sehr skeptisch. „Wir werden diesen Punkt im Koalitionsausschuss besprechen müssen.“
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Nach tagelanger Irrfahrt durch das Mittelmeer hatte gestern Malta angeboten, die „Lifeline“ nun doch in einem ihrer Häfen ankern zu lassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Flüchtlinge nicht in Malta verbleiben, sondern von anderen europäischen Staaten aufgenommen werden. Schleswig-Holstein und Berlin hatten sich daraufhin bereit erklärt, Flüchtlinge von der Lifeline hierher zu lassen, sollte der Bundesinnenminister eine Aufnahmebereitschaft Deutschlands zusagen. Daraufhin habe auch er sich verpflichtet gefühlt, ein Angebot für Niedersachsen zu machen, sagte Pistorius.
„Allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.“ So bekämen die Flüchtlinge durch die Aufnahme keinen Aufenthaltsstatus und müssten wie alle anderen neu ankommenden Flüchtlinge das Asylverfahren durchlaufen. Zudem müssten alle Flüchtlinge ihre Identität und Herkunft nachweisen können. „Wir dürfen hier keinen Präzedenzfall schaffen“, sagte Pistorius. Zudem müssten sich neben Niedersachsen auch noch andere Bundesländer und europäische Staaten zu einer Aufnahme verpflichten, fügte der SPD-Politiker. „Ich sage bewusst nicht, wie viele Flüchtlinge wir aufnehmen würden, damit sich andere Länder keinen schlanken Fuß machen können und ebenfalls handeln müssen.“
Trotz der Auflagen und der menschlichen Not hält es Althusmann allerdings für das falsche Signal, Flüchtlinge von dem Schiff aufzunehmen. „Der Auftrag der libyschen Küstenwache wird mit dem Verhalten der Flüchtlingsorganisationen konterkariert. Diese Organisationen drängen in die libyschen Küstengewässer ein, um die Flüchtlinge zu retten, die zuvor von Schlepperorganisationen auf kaum seetüchtige Schiffe gelockt wurden.“ Wenn man nun Flüchtlinge aufnähme, unterstütze man mittelbar dieses System und löse nicht das Grundproblem. Althusmann fordert daher eine konsequente Haltung aller EU-Mitgliedsstaaten.
Statt Flüchtlingen übers Mittelmeer zu helfen und über ihre Verteilung zu streiten, sollten Europäische Union und Vereinte Nationen möglichst zeitnah europäische Ankerzentren in Nordafrika einrichten. Dort solle über ihre Anerkennung als Asylberechtigte entschieden werden, bevor sie den gefahrvollen Weg über das Mittelmeer auf sich nähmen, nur um später wieder in ihre Heimatländer abgeschoben zu werden. „Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen bleibt für uns in Deutschland eine humanitäre Verpflichtung. Aber Deutschland hat bereits mehr Flüchtlinge aufgenommen als alle anderen EU-Staaten zusammen.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat unterdessen grundsätzlich zugestimmt, dass Deutschland Flüchtlinge der „Lifeline“ aufnehmen kann, aber nur unter den Bedingungen, dass das Schiff beschlagnahmt und die deutsche Crew zur Rechenschaft gezogen werde. „Wir müssen verhindern, dass es zu einem Präzedenzfall wird“, sagte Seehofer gestern.