Darum geht es: Innenminister Boris Pistorius (SPD) hält an Braunschweigs Polizeipräsidenten Michael Pientka fest. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum:

Für Minister, Staatssekretäre und Polizeipräsidenten, also das Führungspersonal des Staates, gilt ein hoher Anspruch: Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass sie ihr Amt nach Recht und Gesetz ausüben und niemanden begünstigen. Sind erst einmal schwere Vorwürfe im Raum, die das Bild trüben, so können sie von heute auf morgen entlassen werden. Eine auskömmliche Pension verhindert, dass die Betroffenen ins Bodenlose fallen.

Auch Michael Pientka ist ein politischer Beamter, und die Vorwürfe, die gegen ihn im Raum stehen, sind nicht nebensächlich. Er soll eine Polizeibeamtin, die sich bei ihm über einen Kollegen beklagte, der ihr nachstellte, nicht erst genommen haben. Er soll gleichzeitig im Wissen dieser Vorwürfe dem Kollegen noch eine Hilfestellung gegeben haben, in eine höhere Besoldungsstufe aufzusteigen. In einem Disziplinarverfahren werden diese Vorwürfe jetzt geprüft, nähere Umstände sind noch nicht bekannt. Pientka hat sich zwischenzeitlich für den ersten Vorwurf öffentlich entschuldigt. Aber ist der Fall damit vom Tisch? Der Verdacht der Begünstigung eines Polizeibeamten, vielleicht beruhend auf einer Männer-Seilschaft in der Braunschweiger Polizei, bleibt bestehen. Pistorius sagt, er vertraue Pientka weiterhin. Aber welche Glaubwürdigkeit kann ein Polizeipräsident noch ausstrahlen, dessen Wirken vom bösen Schein der Abhängigkeit und Männer-Seilschaft überschattet wird? Es gibt viele Gründe, dem Braunschweiger Polizeipräsidenten nicht mehr zu vertrauen – auch wenn er, das ist zuzugestehen, bisher im Dienst untadelig war und durchaus als vorbildlicher Polizeiführer galt.

Pistorius weiß, dass er den Polizeipräsidenten eigentlich entlassen muss. Er tut es nicht und spricht stattdessen von einer „neuen Fehlerkultur“. So berechtigt es ist, von den Polizeiführern mehr Demut und Selbstkritik einzufordern, so fragwürdig bleibt es doch, an einem angeschlagenen Polizeichef festzuhalten. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Pistorius die Hände gebunden sind, weil er womöglich keinen geeigneten Nachfolger für Pientka findet. Für Beamte, die noch nicht nah an der Pensionsgrenze stehen, ist der Job unattraktiv – denn die Mindestdienstzeit von zwei Jahren, die ein politischer Beamter für die Altersversorgung braucht, würde ein Pientka-Nachfolger nach der nächsten Landtagswahl noch nicht erreicht haben. Und wer weiß denn heute, wer im Sommer 2018 niedersächsischer Innenminister sein wird?