Von Isabel Christian

Nicolas Boudot lebt in einer Welt, in der menschenähnliche Roboter längst zum Alltag gehören. Bei ihm ist das nicht verwunderlich, der Franzose ist Marketingchef bei Softbank Robotics Europe, einer Firma, die Roboter für Servicetätigkeiten entwickeln. Zur Cebit-Preview-Konferenz im hannoverschen Neuen Rathaus hat er „Pepper“ mitgebracht, den Verkaufsschlager seiner Firma. Tausende von Exemplaren sind in den vier Jahren, die „Pepper“ nun auf dem Markt ist, verkauft worden. Der Roboter spricht in Einkaufszentren potentielle Kunden an, verteilt in Hotels Zimmerkarten und hilft bei der Wahl der richtigen Kaffeemaschine. „Pepper, wann ist die Cebit 2018?“, fragt Boudot seinen künstlichen Gegenüber nun, um dessen Fähigkeiten zu demonstrieren. Der kindergroße Roboter neigt den Kopf und antwortet mit pipsiger Stimme: „Die Cebit 2018 ist vom 11. bis 15. Juni.“ – Boudot: „Wirst Du mich begleiten?“ – Pepper: „Aber selbstverständlich! Ich verpasse nie eine Cebit“. Lachen und Applaus im Saal.

Nicolas Boudot und sein Produkt „Pepper“, ein Roboter, der Emotionen deuten kann.                                   Foto: Christian

Für den kleinen Androiden ist die Cebit nicht neu. Bereits im dritten Jahr in Folge lässt ihn seine Herstellerfirma durch die Messehallen rollen und Besucher ansprechen. Und obwohl die Cebit sich ein neues Gesicht und Konzept gegeben hat, wird „Pepper“ weiterhin eine der Hauptattraktionen auf der diesjährigen Messe sein. Nicht nur, weil Künstliche Intelligenz auf Messen mit Digitalbezug ein Dauerbrenner ist, sondern auch, weil es darüber hinaus nicht mehr viel zu sehen gibt. Die Cebit hat mit dem neuen Konzept ganz offiziell akzeptiert, dass technischer Fortschritt nicht länger etwas ist, was man anschauen und im Idealfall auch anfassen kann. Das alte Konzept einer Technik-Ausstellung ist zwar noch nicht tot, aber so gut wie. Bitcoins, vernetzte Gegenstände und IT-Sicherheit sind so revolutionär wie seinerzeit das digitale Telefon und der erste Heimcomputer. Doch sie lassen sich nur schwer anschaulich machen, schon gar nicht für ein Publikum, das sich nach nur einem Blick entscheidet, ob es stehen bleibt oder nicht. Roboter – vor allem solche wie „Pepper“ – sind immer noch nett anzusehen, und Virtual Reality ruft nach wie vor Begeisterung bei den Trägern der Computerbrillen hervor. Doch auch das ist kein neuer Kick mehr für Besucher – alles schon mal gesehen, auf einer früheren Cebit und auf anderen Messen. Denn ob Auto, Landwirtschaft oder Küchengeräte, an der Digitalisierung führt kein Weg mehr vorbei.

Vorbild Ideen Expo

Auch deshalb gibt die Deutsche Messe AG ihr erst vor wenigen Jahren eingeführtes Konzept der reinen Businessmesse Cebit wieder auf. Geschäftskontakte lassen sich auch anders anbahnen, dazu muss man nicht nach Hannover kommen. Wie lockt man aber stattdessen Menschen aus aller Welt auf das Messegelände? Und die Einheimischen noch dazu, ohne sie mit gut gefüllten „Goodie-Bags“ locken zu können? Hier haben sich die Veranstalter an einem Konzept orientiert, von dem man nicht nur weiß, dass es auf dem hannoverschen Messegelände funktioniert, sondern auch noch Strahlkraft entfaltet: Der Ideen-Expo. Alle zwei Jahre zieht die Naturwissenschaftsmesse für Kinder und Jugendliche mit einer Mischung aus Mitmach-Exponaten, Wissensshows und Konzerten hunderttausende Schüler nach Hannover. Die Deutsche Messe AG will diesen Spaßfaktor nun in die sonst eher dröge Geschäftswelt bringen.


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Was aber soll die Cebit nun genau von all den anderen Technik-Messen abheben? Der Festival-Charakter? Das Konzert von Jan Delay? Achim Berg, Präsident des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) fasst den neuen Anspruch in wenigen Sätzen zusammen. „Wir brauchen keine weitere Messe, auf der wir uns Produkte anschauen können. Wir brauchen ein Diskussionsforum.“ Denn die Digitalisierung habe längst ein Stadium erreicht, in der sie alle Branchen vor die gleichen Hürden und Anforderungen stelle. „Ethik, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit der Digitalisierung: Diese Themen müssen wir branchenübergreifend und zukunftsgerichtet besprechen können. Und dafür brauchen wir ein Forum“, sagt Berg.

Produktvermarktung trifft Gesellschaftsphilosophie

Der Forumscharakter lässt sich in dem neuen Konzept an vielen Stellen erkennen. Stände werden zu interaktiven Erlebnisinseln, bei denen die Aussteller hoffen, nicht nur Verkaufsgespräche zu führen. Der Büroausstattungskonzern Ricoh will in seiner „Smart City“ zeigen, wie die Unternehmenswelt der Zukunft aussieht, und das hannoversche IT-Unternehmen Atos macht für Besucher das „Arbeiten 4.0“ erlebbar, indem sie einen Projektmitarbeiter durch dessen futuristischen Alltag begleiten. Bei Volkswagen wird nicht nur ein neues, autonom fahrendes Auto vorgestellt, der Konzern will die Mobilität der Zukunft insgesamt thematisieren. Die verwendete Technik ist zwar essentiell, aber im Mittelpunkt steht auch der Denkanstoß: Wie stark darf und soll die Digitalisierung die Arbeitswelt, die Mobilität den Alltag verändern? Produktvermarktung trifft Gesellschaftsphilosophie. Das Denken der Tech-Branche wird sich nach der Cebit nicht wesentlich verändert haben. Noch nicht. „Geben wir der neuen Cebit eine Chance und die Zeit, sich zu entwickeln“, appelliert Bitcom-Chef Berg. Geht die Strategie auf, könnte die Cebit bald wieder Pflichtveranstaltung für alle sein, die sich mit Digitalisierung befassen.