Philippi enttäuscht: Lauterbach hat Weils Vorschlag für Kliniken ignoriert
Niedersachsens Sozialminister Andreas Philippi (SPD) zeigt sich verärgert über die nachhaltige Weigerung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), ein „Vorschaltgesetz“ zur vorläufigen Rettung der existenzbedrohten Krankenhäuser auf den Weg zu bringen. „Beim jüngsten Bund-Länder-Treffen hatte Ministerpräsident Stephan Weil einen solchen Vorschlag unterbreitet, und die Bundesregierung ist wieder nicht darauf eingegangen. Ich bin über diesen Vorgang nicht amüsiert. Die Forderung der Länder, die Weil vorgetragen hat, ist einfach weggedrückt worden“, sagte Philippi bei einem Empfang der Techniker-Krankenkasse (TK) in Hannover.
Der TK-Vize-Vorstandschef Thomas Ballast erklärte, dass ein solches Vorschaltgesetz sinnvoll sein könne, denn es werde bis zu vier Jahre dauern, bis Lauterbachs Klinikreform ihre Wirksamkeit entfalte. In der Zwischenzeit drohten sehr viele Krankenhäuser in Existenznöte zu kommen. „Es ist dabei nicht sinnvoll, mit der Gießkanne alle Kliniken zu fördern“, fügte Ballast hinzu. Er empfahl aber, die Krankenhäuser zu definieren und danach diejenigen, die dauerhaft gebraucht werden, in ihrem Transformationsprozess zu unterstützen.
„Das Wort Transparenzgesetz klingt ja ganz so, als gäbe es bisher keine Transparenz. Das stimmt aber nicht.“
In Niedersachsen gibt es 163 Kliniken, seit Monaten ertönen Rufe nach einer Liquiditätshilfe wegen der Inflation, der explodierenden Energie- und Beschaffungskosten. Die bislang zugesagten Mittel des Bundes, der neben den Krankenkassen für die Deckung der Betriebskosten zuständig ist, reichten nicht aus. Bundesgesundheitsminister Lauterbach ist für solche Forderungen bisher nicht empfänglich. Er hat jüngst ein sogenanntes „Transparenzgesetz“ als Entwurf vorgelegt. Dieses soll es den Patienten ermöglichen, im Internet die Qualität der Kliniken zu erkennen und somit zwischen den leistungsfähigen und den eher schwachen Kliniken unterscheiden zu können.
In der TK-Veranstaltung ging Philippi erneut auf Distanz zu diesem Gesetzentwurf. Am 24. November werde sich der Bundesrat mit dem Entwurf befassen – und er sei der Meinung, dass dieses Bundesgesetz zustimmungspflichtig ist. „Es könnte passieren, dass dieser Entwurf noch eine Runde durch den Vermittlungsausschuss drehen muss“, sagte Philippi und griff Lauterbachs Diktion frontal an: „Das Wort Transparenzgesetz klingt ja ganz so, als gäbe es bisher keine Transparenz. Das stimmt aber nicht.“ Die in diesem Gesetzentwurf vorgesehene Zuordnung bestimmter Leistungsgruppen passe nicht zu den wirklichen Operationen in den Kliniken, daher habe Lauterbachs Konzept Mängel. „Ich weiß auch nicht, was im Bundesgesundheitsministerium los gewesen ist, als dieser Entwurf am 10. Oktober geschrieben worden ist“, fügte der Landesminister hinzu.
Krankenhaus-Verordnung soll noch in diesem Jahr kommen
Philippi kündigte an, die Verordnung zum 2021 im Landtag beschlossenen niedersächsischen Krankenhausgesetz „noch in diesem Jahr vorzulegen“. In dieser Verordnung soll stehen, wie die acht Versorgungsregionen zugeschnitten sind – und welche Mindestvoraussetzung an Klinik-Angebot in jeder der Regionen vorgehalten werden muss. Dies könnte dann eine Vorstufe dafür sein, einige wenig leistungsfähige Kliniken als solche zu definieren und diesen die staatliche Unterstützung zu nehmen.
Im Vorfeld hatte es Kritik gegeben, weil die Kreise Schaumburg, Nienburg und Celle gemeinsam mit der krankenhausreichen Region Hannover in ein Gebiet gepackt werden sollen. Kommunalpolitiker in den Randbereichen fürchten, dann bei der Zuordnung benachteiligt zu werden. Auch die Zuordnung von Peine zu Braunschweig oder Hannover ist wohl noch strittig. Philippi sagte, er rechne im Anschluss an die Verordnung auch „eventuell mit juristischen Konsequenzen“. Das kann so interpretiert werden, dass womöglich Kliniken gegen die Einstufung durch das Sozialministerium, die irgendwann in den kommenden Monaten folgen wird, vor Gericht ziehen könnten.
„Wir werden darauf achten, dass die kurzen Wege und die Qualität eingehalten werden.“
Philippi sagte in der TK-Veranstaltung: „Wir werden darauf achten, dass die kurzen Wege und die Qualität eingehalten werden.“ Skeptiker in den Kassen sehen mit Sorge, dass das Sozialministerium vor dem Druck von Kommunalpolitikern einknicken und auch nicht-wirtschaftliche Kliniken über Ausnahmebestimmungen der Verordnung in ihrer Existenz sichern könnte.
Minister gegen Minister: Philippi äußerte deutliche Skepsis gegenüber Finanzzusagen von Lauterbach. Dieser habe erklärt, für die derzeit existenzbedrohten Krankenhäuser „sechs Milliarden Euro draufgelegt“ zu haben. Niedersachsens Minister bezweifelt nun, dass es sich dabei um zusätzliche Mittel handelt. „Das ist Geld, das den Kliniken sowieso schon zusteht und im Zusammenhang mit den Pflegebudgets steht“, sagte Philippi. Da in Niedersachsen 80 Prozent der Kliniken ihr Pflegebudget schon verhandelt hätten, hätten sie „nichts von diesem Geld, von dem Lauterbach spricht“.
Dieser Artikel erschien am 13.11.2023 in der Ausgabe #195.
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