Sind in der hannoverschen Rathausaffäre die Tage von Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) gezählt? In der Landeshauptstadt kursieren dazu unterschiedliche Einschätzungen. Einige meinen, der bislang in dieser Angelegenheit strikt schweigsame Verwaltungschef könne die Krise durchstehen, falls die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen ihn in wenigen Wochen eingestellt werden sollten. Das könnte etwa soweit kommen, wenn Schostok keine direkte Beteiligung an Gesprächen über unzulässige Zulagen für seinen Büroleiter Frank Herbert nachgewiesen werden kann. Schostok wird durch eine Mail Herberts von April 2017 belastet, in der dieser auf eine „Abrede“ mit dem OB verweist und darauf, dass dabei die Zulage für ihn besprochen sei.

Im Moment eine politische Baustelle: das Rathaus von Hannover – Foto: MB.

Es gibt Hinweise, dass an diesem Gespräch nur Schostok und Herbert beteiligt waren, nicht aber der Personaldezernent Harald Härke, der die Zulage an Herbert kritisch gesehen haben will. Falls Schostok die Aussage in der Mail von Herbert bestreiten sollte, stünde Aussage gegen Aussage – und das könnte am Ende für den Oberbürgermeister entlastend sein, da eine dritte Person als Zeuge der Unterredung fehlt. Der Oberbürgermeister müsste dann aber behaupten, von seinem engsten Mitarbeiter übers Ohr gehauen worden zu sein.

Affäre legt seit Wochen die Stadtpolitik lahm

In Hannover kursiert aber auch eine andere Einschätzung, wonach der Druck in der SPD auf Schostok mittlerweile so stark wird, dass der Oberbürgermeister entgegen seiner bisherigen Absicht doch zum Rücktritt bereit sein dürfte. Das geschähe dann nicht aus Einsicht in juristische Fehler, sondern wegen der Begrezung des Flurschadens, da die Affäre schon seit Wochen die Stadtpolitik lahmlegt und Hannover zu Gespött der Republik zu werden droht. Vermutlich würde Schostok in diesem Fall gleich auch seine zweite Position räumen, er ist Vorsitzender des einst sehr mächtigen SPD-Bezirks Hannover.

Auch hier artikulieren viele Sozialdemokraten hinter vorgehaltener Hand Unzufriedenheit, zumal Schostok seit Jahren im Rathaus stark gefordert ist und die Parteiarbeit mehr oder weniger komplett auf seinem Stellvertreter Ulrich Watermann (Hameln-Pyrmont) lastet. Als Nachfolger im Bezirksvorsitz kämen im Fall der Fälle SPD-Politiker in Betracht, die schon eine wichtige Funktion haben und sich die Autorität des Parteiamtes nicht erst erkämpfen müssten – die Minister Grant Hendrik Tonne oder Birgit Honé beispielsweise, vielleicht auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Matthias Miersch.


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Spannender ist die Frage, was im Rathaus passiert. Wenn sich Schostok zum Rücktritt entschließen könnte (Ruhestand auf Antrag aus besonderen Gründen), ginge das nur mit Billigung der bisherigen Ampel-Koalition und der CDU, denn eine Zustimmung von drei Vierteln der Mitglieder des Rates wäre nötig. Der OB würde dabei auch keine Versorgungsansprüche einbüßen, nach fünf Amtsjahren hat er schon Anwartschaften auf ein Drittel seines B9-Gehaltes (11.302 Euro monatlich) erreicht, also monatlich knapp 4000 Euro, die er sofort kassieren könnte. Laut Gesetz müsste dann binnen eines halben Jahres – also bis Jahresende 2018 – eine Neuwahl des Oberbürgermeisters durch das Volk stattfinden.

Als potenzieller SPD-Kandidat für diesen Fall wird der neue Kämmerer Axel von der Ohe genannt, der allerdings noch recht unbekannt ist. Spekuliert wird auch über den früheren Finanzdezernenten Marc Hansmann, der durchaus populär ist, aber mit seinem Aufstieg in den Stadtwerke-Vorstand im vergangenen Jahr die engere Kommunalpolitik verlassen hat. Auch über eine weibliche SPD-Kandidatin wird nachgedacht, wobei Doris Schröder-Köpf abgewinkt hat und Yasmin Fahimi, SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Generalsekretärin der Partei, von der Stadtpolitik sehr weit weg ist.

Wulfs Name wird gehandelt

In der CDU wird vor allem ein Name gehandelt, wenn es tatsächlich zu vorgezogenen OB-Neuwahlen kommen sollte: der der jungen Landtagsabgeordneten Mareike Wulf (38), die bis zur Landtagswahl im Vorstand der Unternehmerverbände tätig war, Sozialwissenschaftlerin ist und zum großstädtischen und liberalen Flügel der Christdemokraten gerechnet wird.