Die SPD-Landtagsabgeordnete Wiebke Osigus, stellvertretende rechtspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, ist verstimmt über die zu große politische Zurückhaltung in der Debatte über sexuelle Gewalt gegen Minderjährige. Osigus hatte mit geschlossener Rückendeckung ihrer Landtagsfraktion vorgeschlagen, in einer Bundesratsinitiative auch die Aufhebung der Verjährungsfrist für Kindesmissbrauch zu fordern. „Wie sich in der Einlassung im Plenum vor einigen Tagen ergeben hat, gibt es dafür leider noch keine Mehrheit“, erklärte Osigus im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. „Die Zurückhaltung verstehe ich nicht. Wir müssten an dieser Stelle entschlossen und parteiübergreifend vorgehen und vor allem schnellstmöglich“, fügte sie hinzu.


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Die SPD/CDU-Fraktion will an mehreren Punkten Änderungen der Vorschriften durchsetzen, damit effektiver gegen Kindesmissbrauch vorgegangen werden kann. Das fängt an bei der Erhöhung des Strafmaßes, führt über die Forderung, auch die Mitwisserschaft unter Strafe zu stellen und geht dann zu einer besseren Prävention. Der CDU-Innenpolitiker Uwe Schünemann hatte jüngst in einer Landtagsdebatte auch die Vorratsdatenspeicherung in solchen Fällen verlangt – also eine Verpflichtung für die Anbieter von Kommunikationssystemen, bei kinderpornographischen Daten die Behörden über deren Urheber zu informieren. Osigus sagt, auch über solche Wege müsse man diskutieren. Sie selbst stellt neben guter Prävention und Therapiemöglichkeiten insbesondere die Aufhebung der Verjährungsfrist in das Zentrum ihrer Forderungen. „Wenn wir das erreicht haben, sind wir schon einen großen Schritt weiter. Wir brauchen ein Gesamtpaket“, sagt sie.

In Hannover sieht sie Vorbehalte vor allem bei einigen Abgeordneten des Koalitionspartners CDU. Bisher findet ihr Vorstoß allerdings auch bei der sozialdemokratischen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wenig Gehör. Nach den geltenden Vorschriften beginnt die Verjährungsfrist, die je nach Schwere des Missbrauchs bis zu 20 Jahre betragen kann, erst mit Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers. Das sei zwar eine lange Zeit, erklärt Osigus, aber viele Menschen, die als Kinder missbraucht wurden und die Erlebnisse über viele Jahre verdrängt haben, bräuchten auch sehr lange, bis sie sich bewusst werden und gegen die Täter – oft in der eigenen Familie – vorgehen wollen. Auf der anderen Seite trete sie auch dafür ein, dass Kindesmissbrauch-Taten nicht mehr aus dem polizeilichen Führungszeugnis getilgt werden dürfen. „Wir müssen doch wissen, wer mit unseren Kindern in Berührung kommt. Es darf nicht sein, dass Täter dann wieder berufliche Tätigkeiten ansteuern, die sie mit Kindern und damit potenziellen neuen Opfern zusammenbringen. Selbst die CSU fordert mittlerweile eine bessere Dokumentation im Hinblick auf strafrechtlich relevante Verfehlungen potentieller Bewerber. Wir können uns da keine blinden Flecken leisten.“

Leid der Opfer müsse der politische Maßstab sein

Osigus ist zurückhaltend, was den therapeutischen Umgang mit Menschen angeht, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen und Kinder bedrängen. Mehrere Fachleute seien der Ansicht, dass man mit einer Therapie maximal bewirken könne, das eigene Handeln in den Griff zu bekommen. „Es könnte allenfalls versucht werden, ein Stopp-Schild im Kopf zu installieren.“ Die SPD-Politikerin meint, die Gesellschaft müsse eine Debatte über den Umgang mit diesen Tätern führen – bis hin zu der Frage, ob man sie zu einer Dauertherapie verpflichten sollte, oder auch, ob man über die Haftung von Gutachtern für deren womöglich leichtfertige Empfehlungen nachdenken müsse. Die Probleme der Opfer, die als Kinder missbraucht werden und dann oft ein Leben lang darunter leiden, müssten der politische Maßstab sein – wie auch der Anspruch, dass Kinder nicht den Gefahren durch potenzielle Kinderschänder ausgesetzt werden dürften. „Jeder Tag der Verzögerung ist ein Tag zu viel“, sagte die SPD-Politikerin im Rundblick-Gespräch.