Der Handel mit Rauschgift ist in Niedersachsen nach wie vor eine der Haupteinnahmequellen von organisierten Banden. Insgesamt 29 Ermittlungskomplexe führte die Polizei im vergangenen Jahr gegen Gruppen, bei denen die Herstellung, der Schmuggel und der Handel mit Drogen eine Hauptrolle spielten. Im Vorjahr waren es 32 und im Jahr 215 insgesamt 30 Ermittlungskomplexe. Damit folgt die Entwicklung des Geschäftsfelds in der Organisierten Kriminalität einem allgemeinen Trend: „34.876 Fälle von Rauschgiftkriminalität haben wir im vergangenen Jahr verzeichnet. Das ist Rekord“, sagte Landespolizeipräsident Axel Brockmann gestern bei der Vorstellung des jüngsten Lagebilds zur Organisierten Kriminalität in Niedersachsen.

Justizministerin Barbara Havliza (2. von links), Innenminister Boris Pistorius (Mitte) und Landespolizeipräsident Axel Brockmann (2. von rechts) stellen das neue Lagebild Organisierte Kriminalität vor. Foto: Christian

Internet hat an Bedeutung für Drogenhandel zugenommen

Am Kerngeschäft Drogenhandel zeigt sich auch, wie sich die Arbeitsweise der organisierten Banden insgesamt verändert hat. Die Täter, die vor Ort gefasst werden, stehen in der Regel unten in der bandeninternen Hierarchie, die Hintermänner sitzen im Ausland. Und die Geld- und Warenströme fließen immer öfter durch den versteckten Teil des Internets, das sogenannte „Darknet“. „Im vergangenen Jahr hatten wir zwar erstmals seit langem keine Ermittlungskomplexe zum Handel mit Drogen im Darknet, doch das heißt nicht, dass die Bedeutung des Internets als Umschlagsplatz für Drogen in der organisierten Kriminalität abgenommen hat, im Gegenteil“, sagt Brockmann. „Der Dynamik der internationalen und digitalen Ausweitung der Organisierten Kriminalität müssen wir auf Augenhöhe begegnen“, betont Innenminister Boris Pistorius. „Deshalb brauchen wir bessere Eingriffsmöglichkeiten, vor allem im digitalen Bereich.“ Damit meint der Innenminister vor allem die Ausweitung der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) auf Chats und Internettelefonie sowie die Erweiterung der Befugnisse bei der Online-Durchsuchung.


Lesen Sie auch:

Aus „Gefahrenabwehr“ werden Regeln zur Verhütung von Gefahren

Warum die Onlineüberwachung für die Polizeiarbeit wichtig werden kann


Um die Augenhöhe mit den Tätern herzustellen, setzt die Polizei zunehmend auf Experten aus einzelnen Fachrichtungen. Vor allem im Bereich IT werden inzwischen nicht mehr nur Beamte nachgeschult, sondern auch Informatiker und Wissenschaftler eingestellt. Diese helfen direkt bei der Strafverfolgung oder entwickeln Softwarenprogramme, die den Ermittlern die Arbeit erleichtern sollen. Etwa die Auswertung von großen Datensätzen, wie sie bei Onlineaktivitäten anfallen. 46 Stellen für Spezialisten haben die Polizeidirektionen und das Landeskriminalamt seit 2015 bekommen, in diesem Jahr sind im Haushalt nochmal 20 Stellen bewilligt worden. Und Pistorius will den Kreis der Experten noch erweitern: Sieben zusätzliche Stellen werden für Finanzexperten geschaffen, die dabei helfen sollen, das immer unübersichtlicher werdende Geflecht von Geldströmen in der Organisierten Kriminalität zu entwirren.

Kriminalität den finanziellen Boden entziehen

Auch die Staatsanwaltschaften sollen 18 neue Stellen bekommen, um die Vermögenswerte aus kriminellen Aktivitäten besser abschöpfen zu können. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich Kriminalität finanziell nicht mehr lohnt“, sagt Justizministerin Barbara Havliza. Bisher ist die Organisierte Kriminalität allerdings noch recht einträglich. Fast 4 Millionen Euro machten kriminelle Banden im vergangenen Jahr Gewinn. Der Polizei gelang es lediglich, 1,4 Millionen Euro Vermögenswerte zu sichern. „Das ist zwar eine Steigerung um ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr, doch da ist noch Luft nach oben“, sagt Landespolizeipräsident Brockmann. Insgesamt 247 Ermittler arbeiteten im vergangenen Jahr im Bereich Organisierte Kriminalität. Neben Rauschgift ging es dabei unter anderem um Wirtschaftskriminalität, Schleuseraktivitäten und Cybercrime. Die Eigentumskriminalität ist dabei erstmals auf den zweiten Platz der häufigsten Delikte gerückt. „Hierzu zählen etwa auch Ladendiebstähle, die sogenannten ,Planenschlitze‘, die Ware von Lastwagen-Ladeflächen stehlen, und Sprengungen von Geldautomaten“, sagt Brockmann. Gerade die letzten beiden Delikte haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen.