Darum geht es: Die Wirtschaft in Niedersachsen geht mit gedämpfter Stimmung ins neue Jahr. Das wurde auch auf der Jahresauftaktveranstaltung der IHK Hannover deutlich. Ein Kommentar von Martin Brüning.

Beim Ski-Slalom am Sonntag im schweizerischen Adelboden machte einigen Fahrern plötzlich mitten auf der Strecke dichter Nebel zu schaffen. Die Situation auf der Strecke am Chuenisbärgli lässt sich gut mit der Lage der Wirtschaft zu Beginn dieses Jahres vergleichen: Oben ging es gut los, aber jetzt können wir teilweise die Hand vor Augen nicht sehen, und niemand weiß so richtig, wie wir unten ankommen. Dabei ist allerdings keineswegs gesagt, dass es uns von der Strecke fegt. Denn so manche Befürchtung könnte am Ende der Nebelwand von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben werden.

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So ist der befürchtete neue Protektionismus in den USA keineswegs eine Erfindung von Donald Trump. Schon Barack Obama schrieb sich gerne die Aufforderung „Buy American“ auf die Fahnen, und die Mauern, die Donald Trump sowohl ganz real an der Grenze zu Mexiko als auch handelspolitisch angekündigt hat, müssen erst einmal hochgezogen werden. Und der Brexit, egal ob es ein harter, also unkontrollierter Austritt oder ein mit einem adäquaten Freihandelsabkommen begleiteter weicher Austritt wird, dürfte die Briten deutlich stärker schmerzen als die heimische Wirtschaft. Für bodenlosen Pessimismus gibt es auch zu Beginn dieses Jahres keinen Grund. Der „Alles halb so schlimm“-Effekt ist nach wie vor möglich.

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Das bedeutet allerdings nicht, dass Politik und Wirtschaft in Niedersachsen und in Deutschland nicht ihre Hausaufgaben machen müssten. Der Präsident der IHK-Hannover, Christian Hinsch, hatte deshalb vollkommen recht, die irrwitzige Rentenpolitik der Großen Koalition in Berlin anzusprechen, die kommenden Generationen eine hohe Bürde auferlegt. Hinsch warnte in diesem Zusammenhang vor unrealistischen Wahlversprechen beziehungsweise Versprechungen, die am Ende die Beitragszahler berappen müssten. Fest steht: Wer in Zeiten einer zunehmenden Verunsicherung in der Weltwirtschaft in Deutschland die Agenda 2010 wieder zurückdrehen möchte, handelt politisch verantwortungslos. Die Zeiten, in denen Deutschland mit einem verkrusteten System und mehr als fünf Millionen Arbeitslosen noch als kranker Mann Europas galt, sind historisch betrachtet noch gar nicht lange her. Vielleicht hat das so mancher Bundespolitiker bereits vergessen – oder er hat nur politische Orientierungsschwierigkeiten im derzeitigen Nebel.

Auch die Wirtschaft hat erkannt, dass sie eigeninitiativ handeln muss und nicht immer nur mit dem Finger auf die Politik zeigen kann. So ist die Tendenz einer zunehmenden Akademisierung zwar teilweise irritierend, aber aus der Sicht von Schüler und Eltern allzu verständlich. Die Wirtschaft muss selbst deutlich machen, was für eine Ausbildung spricht und welche Karrierechancen sich daraus ergeben, um junge Menschen dafür zu begeistern. An dem statischen Bildungsdenken – Schule, Studienabschluss, Job – ist die Wirtschaft teilweise selbst schuld, weil ihre Personalabteilungen bei der Einstellung von Bewerbern teilweise genauso träge und unbeweglich vorgehen wie der öffentliche Dienst. Quereinsteiger-Karrieren wie noch vor Jahrzehnten sind so heute kaum noch vorstellbar. Es ist allerdings durchaus möglich, dass durch die Flüchtlinge, die derzeit einen Job suchen, Bewegung in das erstarrte System kommen könnte.

Ob mit oder ohne Nebel – am Ende der Ski-Abfahrt folgt normalerweise das Vergnügen des Après Ski. Wenn die Optimisten Recht behalten und Deutschland sich keine groben Fahrfehler erlaubt, haben wir gute Chancen, dass der Kater nicht schon vor der Feier einsetzt.

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