Hat die Landesregierung die Niedersachsen gut genug darauf vorbereitet, dass bei einem „harten Brexit“ womöglich drastische Folgen für die Unternehmen und viele Staatsbürger drohen? Im Landtag meinten Jan-Christoph Oetjen (FDP) und Dragos Pancescu (Grüne), Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) müssten hier mehr tun.

Vom 30. März 2019 an wird Großbritannien Drittstaat sein – und es wird zwischen EU und London immer noch darüber gerungen, inwieweit die Auswirkungen auf die Wirtschaft abgepuffert werden sollen oder können. „Ich vermisse hier konzeptionelle Regeln von der Landesregierung“, sagte Oetjen, und Pancescu ergänzte, der Ministerpräsident solle die alte Verbundenheit des Königreichs Hannover zu Großbritannien nutzen und quasi in der Nachfolge den direkten Kontakt suchen. Zwar rede Stephan Weil mit dem britischen Botschafter, meinte darauf die zuständige Europaministerin Birgit Honé (SPD). Weiter könne er aber nicht gehen, da der Gesprächspartner der britischen Regierung die EU sei, nicht einmal die Bundesregierung könne hier tätig werden, und eine Landesregierung schon gar nicht. Der Grünen-Politiker hatte in der Debatte erklärt, er habe die Telefonnummer der britischen Premierministerin Theresa May parat und könne sie Weil und Althusmann geben. „Wenn Herr Weil sogar vom Papst empfangen wird, der doch einen viel volleren Terminkalender hat als die britische Regierungschefin, dann dürfte doch auch der Kontakt zu Frau May nicht so schwierig sein.“


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Die FDP empfahl einen Brexit-Beauftragten, wie ihn die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen berufen hatte, da viele Unternehmen spezielle Fragen hätten und noch besser beraten werden müssten. Es gehe dann beispielsweise auch darum, dass britische Staatsbürger bei einem übergangslosen Austritt aus der EU nicht mehr so einfach wie bisher in Deutschland Beamte werden könnten. Dafür, erklärte Honé später, sei allerdings die Bundesregierung zuständig. Der SPD-Abgeordnete Christos Pantazis nannte den Brexit „ein tragisches Ereignis“, handeln müsse nun vor allem die britische Regierung. Um zu verhindern, dass die Wirtschaftskontakte zusammenbrechen, müsse sie die EU-Bedingungen für eine Übergangsfrist erfüllen.

Sowohl Pantazis als auch Stephan Siemer (CDU) betonten, dass die Landesregierung sehr gute Vorbereitungen für die Ereignisse getroffen habe. Großbritannien sei der drittwichtigste Handelspartner Niedersachsens mit einem jährlichen Volumen von zehn Milliarden Euro. „Mehrere zehntausend Arbeitsplätze“ seien daran gebunden. Europaministerin Honé erklärte, Niedersachsen habe als erstes Bundesland alle Landesnormen mit Blick auf die Frage überprüft, ob für nötige Rechtssicherheit ein Landesgesetz nötig sei. Das habe man bejaht. Demnächst werde sie den Entwurf für ein Brexit-Übergangsgesetz vorlegen, wie es im Übrigen auch die anderen Bundesländer und der Bund planten. Das Gesetz sieht vor, dass Großbritannien im Landesrecht bis Ende 2020 „als Mitgliedsstaat der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft“ gilt. Damit wäre auf Landesseite alles Mögliche getan, einen ersten – erhofften, aber noch nicht erreichten – Übergangszeitraum bis zum Austritt des Königsreichs aus der Gemeinschaft zu sichern.

Der AfD-Abgeordnete Stefan Henze sagte, die Fehler lägen auf der Seite der EU, die „einen ungehorsamen Mitgliedsstaat bestrafen“ wolle. Sein Bild von der EU entspreche „eher einem Staatenbund als einem Bundesstaat“. So sollten Mitgliedsstaaten beschließen können, EU-Regeln nicht anzuwenden, und die Parlamente der Mitgliedsstaaten sollten ein Vetorecht gegenüber EU-Vorgaben bekommen.