Schlechtes Timing. Unter normalen Umständen wäre der Auftritt von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Dieselskandal vielleicht gar nicht weiter aufgefallen. Zwischen den Ex-Bundesministern Tiefensee und Ramsauer am vergangenen Montag und Bundesverkehrsminister Dobrindt, der wie Weil am Donnerstag aussagen wird, hätten viele möglicherweise gar nicht so auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten geachtet. Schließlich geht es in dem Ausschuss nicht unbedingt um Zuständigkeiten des Landes. Die mediale Schlammschlacht der Nadelstreifenträger im VW-Aufsichtsrat, möglicherweise ausgelöst durch den ehemaligen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch, führt jetzt dazu, dass die Spots in der Bundeshauptstadt wohl doch angehen werden, wenn Weil ins Paul-Löbe-Haus geht. „Ich werde zur Aufklärung beitragen so gut ich kann“, kündigte Weil gestern an. Für den Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordneten Carsten Müller, Mitglied des Untersuchungsausschusses, ist Weil nun in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. „Der Ministerpräsident lässt in seiner Doppelrolle die Öffentlichkeit eher uninformiert. Und man kann den Eindruck gewinnen, dass er versucht, sich hinter den Verschwiegenheitsverpflichtungen aus dem Aktiengesetz zu verstecken“, sagt Müller im Gespräch mit dem Rundblick.

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Im Wirtschaftsausschuss des Landtages blieben laut Opposition gestern entscheidende Fragen offen. Mehr als anderthalb Stunden hatte sich Weil in Raum 1305 des Landtages hinter verschlossenen Türen den Fragen der Abgeordneten gestellt. Ihm sei vom Thema Dieselgate nichts bekannt gewesen, bevor das US-Justizministerium im September 2015 den Skandal publik gemacht habe, wiederholte er dort. Es gebe auch keinen einzigen Beleg dafür, dass es vorher bekannt gewesen sein könnte. „Man könnte inzwischen fast sagen: Der Gegenbeweis ist geführt“, sagte Weil direkt nach seinem Auftritt im Ausschuss. Nach dem Bruch zwischen Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn sei es im Präsidium auch nicht um Themen wie „schadhafte Software“ gegangen. Er sagt wirklich „schadhafte Software“, als ob ein Software-Fehler den Dieselskandal in Wolfsburg ausgelöst hätte. „Ich hätte nicht die leiseste Veranlassung gehabt, etwas unter den Teppich zu kehren. Mir war damals im Gegenteil sehr daran gelegen, unter allen Beteiligten so gut und klar wie möglich zu kommunizieren“, so Weil.

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Wer wusste was zu Beginn des Jahres 2015? Wer streut Aussagen Piëchs in die Öffentlichkeit? Und was genau hat Piëch denn überhaupt wirklich ausgesagt bei der Staatsanwaltschaft und bei den Interviewern der von VW beauftragten US-Anwaltskanzlei? Die Opposition im Landtag tut sich schwer damit, Weil anzugreifen. Wer kritisieren will, braucht Fakten, und gerade Fakten sind in diesem Fall nur schwer zu finden. Sie könnten zum Teil in Dokumenten stehen, die weder der Politik noch der Öffentlichkeit zugänglich sind. Dennoch müsse man dem VW-Aufsichtsrat von Februar bis April 2015 die Professionalität absprechen, urteilt FDP-Fraktionsvize Jörg Bode. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass man den Vorwürfen oder dem Auslöser von Piëchs Aussage ‚Ich bin auf Distanz zu Winterkorn‘ nicht nachgegangen ist.“ Bode holt zur Generalkritik aus. Es sei abenteuerlich, was die Aufsichtsratsmitglieder Weil und Lies durchgewunken hätten: Nicht-Aufklärung. Gehaltsexzesse. Sittenwidrige Verträge. Das sind die Schlagworte elf Monate vor der Landtagswahl.

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Sowohl CDU als auch FDP im Landtag ist nicht klar, warum Weil nicht schon im Juni 2016 auf die Vorwürfe Piëchs reagiert hat. Weil erfuhr zu diesem Zeitpunkt bereits davon, dass der ehemalige Aufsichtsratschef in der Befragung durch die Anwaltskanzlei Jones Day versuchte, den Aufsichtsrat in den Skandal hineinzureißen. „Da hätte man doch schon Vorkehrungen treffen müsse, um Schaden vom Konzern und der eigenen Person abzuwehren“, wundert sich der CDU-Abgeordnete Uwe Schünemann, Mitglied des Wirtschaftsausschusses im niedersächsischen Landtag. Offenbar sei man jetzt sehr unvorbereitet gewesen. Schünemann bezeichnet das Krisenmanagement deshalb als „schwierig“. Auch Bode meint, Weil hätte bereits Mitte vergangenen Jahres die Diskrepanz in den Aussagen ausräumen sollen.

Als „wenig erhellend“ bezeichnete die CDU-Fraktion gestern die Befragung Weils. Sie hofft jetzt auf einen 50 Fragen umfassenden Katalog, den Sie der Staatskanzlei geschickt hat. Vielleicht ist die Staatskanzlei ja auskunftsfreudiger als Volkswagen. Der Konzern wirkt nach wie vor zugeknöpft. Der Bundestagsabgeordnete Carsten Müller meint, VW sei gut beraten, den eingetretenen Vertrauensverlust zu kompensieren. „Dazu gehört auch ganz wesentlich ein offenes und von Einsicht und Reue geprägter Umgang mit dem, was passiert ist.“ (MB.)