Nitrat: Es geht darum, weniger Dünger zu erzeugen
Darum geht es: Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland gestern wegen Nichteinhaltung der europäischen Nitratrichtlinie verurteilt. Davon ist auch Niedersachsen betroffen. Ein Kommentar von Isabel Christian.
Jetzt ist es amtlich: Deutschland hat bei der Nitratbelastung im Grundwasser jahrelang nicht aufgepasst, Studien ignoriert, sich mit Gegenmaßnahmen schwergetan – und die Ziele der Europäischen Union klar verfehlt. So ist es nicht verwunderlich, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Nase voll hat von dem Rumgeeiere und dem EU-Mitgliedsland eine deutliche Warnung zukommen lässt. Sollte Deutschland sich nicht stärker gegen die Nitratbelastung im Wasser engagieren, sind hohe Strafzahlungen fällig. Nun kann man einwenden, dass sich der EuGH nur auf den Nitratbericht von 2012 bezogen hat, seit 2017 gibt es aber die bundesweit gültige Düngeverordnung und die habe viele Schwachstellen schon beseitigt. Das stimmt, aber eben nicht alle. Und das hat der EuGH in sein Urteil miteinbezogen.
Vor allem Niedersachsen betroffen
Betroffen ist vor allem Niedersachsen. Denn wie das Umweltbundesamt 2016 feststellte, sind hier so viele sogenannte Grundwasserkörper mit übermäßig viel Nitrat belastet wie in keinem anderen Bundesland. Allerdings sind diese Statistiken mit Vorsicht zu genießen. Denn wenn eine Messung in einem Brunnen den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser übersteigt, wird das gesamte Einzugsgebiet der Messstation als stark belastet gekennzeichnet. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass es ein Problem gibt. Und dass die jetzt geltende Düngeverordnung auch nicht die Handhabe gibt, es zu lösen.
Da ist etwa der nach wie vor laxe Umgang mit Landwirten, die gegen die Düngeverordnung verstoßen und mehr düngen als nötig. Zum einen, weil die Pflanze mehr verkraftet als braucht. Dem ist nur beizukommen, indem die Landwirte detaillierter Bericht über die Nährstoffe abgeben müssen, die sie auf ihre Felder ausbringen, und die staatlichen Behörden mehr Plausibilitätsprüfungen machen. Zum anderen überdüngen viele Landwirte auch ihre Felder – und das betrifft vor allem die westlichen Landesteile – , weil sie oft nicht wissen, wohin mit dem vielen Mist aus der Tierzucht. Die Grünen und die Tierschutzverbände sehen sich deshalb durch das Urteil in ihrer Forderung bestätigt, dass in den Tierzuchtzentren die Zahl der gehaltenen Tiere abnehmen muss. Doch für viele Landwirte ist das nicht mehr wirtschaftlich und es wird auch die Nitratbelastung nicht deutlich verbessern. Deshalb sollte sich die Landesregierung auf andere Maßnahmen konzentrieren.
Wir brauchen ein Austauschsystem
So ist es etwa absurd, dass die Landwirte in den tierreichen Gegenden Gülle im Überfluss haben, während die Landwirte in den Ackerbauregionen im Osten Kunstdünger zukaufen, um ihre Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen. Hier muss ein Austauschsystem geschaffen werden, um jegliche zusätzlichen Nitratquellen wie Kunstdünger unnötig zu machen. Rein technisch ist das bereits möglich, mehrere Unternehmen beschäftigen sich schon damit, die Nährstoffe aus der Gülle aus dem Wasser zu filtern und in Pelletform zu pressen, um sie mit wenig Aufwand in weiter entfernte Gegenden zu bringen. Technische Entwicklungen wie diese, die das Austauschsystem etablieren, sollten vom Land stärker gefördert werden.
Ein großes Problem sind zudem die Biogasanlagen. Denn auch die Gärreste aus den Anlagen werden als Dünger ausgebracht und geben Nitrat an den Boden und das Grundwasser ab. Eigentlich haben Biogasanlagen allein schon deshalb in Regionen, die mit Dünger überversorgt sind, nichts zu suchen. Doch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ignoriert diese Folge nicht nur, es verschärft die Entwicklung auch noch, indem es den Betrieb von Biogasanlagen besonders fördert, die nicht nur Mais und Grünschnitt, sondern zum überwiegenden Teil tierische Exkremente zum Fermentieren nutzen. Und diesen Vorteil haben eben jene Gegenden, in denen viele Tiere gezüchtet werden.
Hier muss die Landesregierung zusammen mit dem Bund dringend eine neue Regelung treffen. Ohne künstliche Hilfe wäre es ohnehin weder wirtschaftlich noch umweltfreundlich, Futter für die Tiere über Hunderte Kilometer heranzukarren, weil auf dem zum Hof gehörenden Acker Mais für die Biogasanlage wächst. Und wenn der Inhalt der Biogasanlage zudem noch den Nitratgehalt im Grundwasser nach oben treibt, kann von grüner Energie erst recht nicht mehr die Rede sein.