Kommt jetzt doch die „Lex AfD“ im Landtag?
Die AfD beschreibt sich gern als Partei, die „außerhalb des Establishments“ steht, also in kritischer Entfernung zu den anderen politischen Gruppierungen. Auch im Landtag will sie gern eine Sonderrolle spielen – und spekuliert nicht zu Unrecht darauf, die öffentliche Empörung der anderen für sich selbst werbewirksam zu nutzen. Nun werden die Politiker von SPD und CDU, Grünen und FDP nicht müde, ihre demonstrative Gelassenheit im Umgang mit der AfD zu betonen. Man werde sie behandeln wie alle anderen auch – und es tunlichst unterlassen, sich von der Partei provozieren zu lassen. Sie soll ja nicht die Chance haben, sich in einer Opferrolle darzustellen.
Aber wird dieser Vorsatz tatsächlich eingehalten? Es mehren sich Zweifel. Zum einen hat es ein ungebührliches oder unparlamentarisches Verhalten der AfD bislang nicht gegeben, die neun Abgeordneten benahmen sich in den Landtagssitzungen seit November regelkonform, sie halten überwiegend kluge und unverfängliche Reden. Auf der anderen Seite aber spürt man bei den anderen Fraktionen den wachsenden Wunsch, sich von dieser rechtspopulistischen Partei abzugrenzen und zu ihr auf Distanz zu gehen. Zur Not eben auch ohne besonderen Anlass.
Als jüngst über eine Resolution zum Syrien-Krieg beraten wurde, haben die vier anderen die AfD im Vorfeld bewusst nicht eingebunden. Man wolle eben keine gemeinsamen Initiativen mit der AfD beschließen, sagte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jens Nacke zur Begründung. Das ist legitim. Im Februar allerdings soll es nun bei einem wichtigen Gesetzesvorhaben zu einer „Lex AfD“ kommen, einer Regel, die sich offenkundig gezielt gegen diese Partei wendet. Derartige Gesetze, die umgangssprachlich den Beinamen „Lex“ haben, sind höchst problematisch – denn Gesetze sollen allgemeine Fragen regeln und nie ausgelöst werden durch die Absicht, einer kleineren Gruppe zu nützen oder zu schaden. Ob der neue Plan noch legitim ist, kann unterschiedlich beurteilt werden.
Die AfD eine „Zumutung“ im Stiftungsrat?
Aktuell geht es um den Stiftungsrat für die Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten, die unter anderem das frühere Konzentrationslager in Bergen-Belsen betreut. Bisher steht im Gesetz, dass jede Landtagsfraktion einen Vertreter in dieses Gremium entsendet. Der Stiftungsrat legt den Haushalt fest, bestellt den Geschäftsführer und beruft die Mitglieder des Stiftungsbeirates, in dem mehrere Verbände von Überlebenden des Holocaust mitwirken. Diese Verbände sind in den USA, in Frankreich und in Israel ansässig.
Nun hatte es, wie der Stiftungsgeschäftsführer Jens-Christian Wagner in einem Schreiben an CDU-Fraktionsgeschäftsführer Nacke ausführte, bei vielen Verbänden der Überlebenden starke Vorbehalte gegen die AfD in dem Gremium gegeben. Wagner geht sogar weiter: Die AfD, in deren Reihen „revisionistische, rassistische, antisemitische und den Holocaust verharmlosende oder gar leugnende Positionen“ vertreten würden, stehe „dem Auftrag der Stiftung entgegen“. Er wolle den KZ-Überlebenden eine Auseinandersetzung mit der AfD im Stiftungsrat „nicht zumuten“. Mitte Dezember hatte es ein Gespräch zwischen Wagner, seinem Sprecher, der AfD-Fraktionsvorsitzenden Dana Guth und dem AfD-Fraktionsgeschäftsführer Klaus Wichmann gegeben, dieses sei – so schildert Wagner – „recht konfrontativ“ verlaufen.
Für SPD, CDU, Grüne und FDP ist diese Aussage des Stiftungsgeschäftsführers nun der Auslöser, das Stiftungsgesetz zu ändern: Künftig solle nicht mehr jede Landtagsfraktion einen Vertreter entsenden, sondern der Landtag solle insgesamt vier Vertreter wählen. Nacke leugnet nicht, dass sich diese geplante Regel gezielt gegen die AfD als fünfte Fraktion richtet, hält das aber wegen der besonderen Umstände – der Bedenken der Verbände von KZ-Überlebenden – für vertretbar. „Obwohl ich grundsätzlich gegen eine Lex AfD bin“, fügt der CDU-Fraktionsgeschäftsführer hinzu.
AfD wollte angeblich sogar freiwillig verzichten
Wenig Verständnis für diese Entscheidung zeigt der AfD-Politiker Wichmann. Zum einen habe er das zweistündige Gespräch mit dem Stiftungsgeschäftsführer nicht so negativ und konfrontativ in Erinnerung, wie Wagner es nun darstellt. „Wir haben einen vertieften Dialog angeboten, man hätte diesen fortsetzen können“, sagt Wichmann. Außerdem könne man nicht von der Landtagsfraktion verlangen, dass sie jeden AfD-Kommunalpolitiker, der radikale Positionen äußere, in die Schranken weise. Dies sei, meint Wichmann, von Wagner aber gefordert worden. Die AfD wäre nach den Worten ihres Parlamentarischen Geschäftsführers sogar bereit gewesen, auf den ihr zustehenden Sitz im Stiftungsrat freiwillig zu verzichten, um den Bedenken der KZ-Überlebenden entgegenzukommen. Doch vor allem CDU und SPD hätten dazu „keinerlei Bereitschaft“ erkennen lassen.
Der Vorgang könnte nun das Klima im Landtag nachhaltig beeinflussen. Der AfD-Fraktionsgeschäftsführer meint, man habe sich „einen fairen Ton und Härte in der Sache“ vorgenommen, erlebe aber immer wieder die kalte Schulter der anderen Fraktionen. „Das führt auch bei uns dazu, dass wir über unser Verhalten nachdenken“, sagt Wichmann. Auch vom Landtagspräsidium sehe er die AfD immer wieder benachteiligt – so sei er in der jüngsten Sitzung für seine Wortwahl gerügt worden, der Innenminister aber, der die AfD scharf attackiert hatte, nicht. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen.“ (kw)