Auch wenn die Geschäftslage für die meisten Unternehmen in Niedersachsen noch sehr rosig ist, blicken die Firmenchefs weiter sorgenvoll in die Zukunft. Zum fünften Mal in Folge sank der von der Industrie- und Handelskammer Niedersachsen (IHKN) vierteljährlich erstellte Konjunkturklimaindikator und steht nun bei 112 Punkten. „Das ist trotz allem immer noch ein guter Wert, denn der langjährige Durchschnitt liegt bei 107 Punkten“, sagt IHKN-Hauptgeschäftsführer Horst Schrage. Dennoch hat die Zahl der Unternehmen, die eine eher ungünstige Zukunft für ihr Unternehmen heranrücken sehen (21 %), im vergangenen Quartal erstmals seit 2012 die Zahl derer überholt, die optimistisch auf die kommenden Monate blicken (16%).

Ein Grund dafür ist das Ringen um verbindliche Regeln für den bevorstehenden Brexit. „Rund 200 niedersächsische Unternehmen haben Niederlassungen in Großbritannien“, sagt Schrage, „deshalb darf man das Thema nicht vernachlässigen.“ Viele dieser Unternehmen hätten schon Warenlager auf der Insel gefüllt, um in einer ersten Phase eines ungeregelten Brexits größere Schäden abzuwenden.

Stafzölle bereiten die größten Sorgen

„Im Hinblick auf die gesamte Konjunktur aber ist der Brexit nur Beiwerk“, sagt Schrage. Denn die Exportaussichten werden stärker dominiert vom Fortgang des Handelsstreits zwischen China und den USA sowie vom wirtschaftlichen Wachstum der Volksrepublik China. „Ich glaube zwar nicht, dass US-Präsident Donald Trump seine Ankündigungen tatsächlich umsetzt, aber sollte es tatsächlich zu hohen Strafzöllen auf chinesische Produkte kommen, dann wird sich das massiv auf die europäische Wirtschaft auswirken.“ Schon jetzt rechneten die Unternehmen damit, ihre Umsatzziele künftig nur durch höhere Margen und unter stärkerem Wettbewerbsdruck erreichen zu können.

Zudem ist China der drittgrößte Handelspartner niedersächsischer Unternehmen hinter den USA und Frankreich. Sollte Chinas Wachstum gebremst werden und damit auch die Kaufkraft, wirke sich das auch direkt auf den Exportmarkt aus.

Land muss bei der beruflichen Bildung mehr tun

Viel könne die Politik im Inland also nicht tun, um die Konjunktur weiter anzukurbeln, sagt Schrage. „Der Einfluss von außen ist ungleich stärker.“ Doch die Politik vor allem auf Landesebene könne und müsse dafür sorgen, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht aus einem anderen Grund abgewürgt wird. „Der Fachkräftemangel ist seit zwei Jahren auch in der Industrie angekommen, und er wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen“, sagt Schrage. Schon jetzt könnten viele Unternehmen einen Teil der Aufträge nicht zeitnah abarbeiten, weil das Fachpersonal dafür fehle.Schrage fordert deshalb vom Land, die Anstrengungen bei der beruflichen Bildung nochmal zu intensivieren.

„Es ist viel passiert in der vergangenen Zeit, und wir begrüßen es sehr, dass es endlich einen Erlass gibt, der Schulen dazu verpflichtet, einen systematischen Fokus auf Berufsorientierung im Unterrichtsalltag zu legen“, sagt Schrage. Doch es müssten noch stärker die Alternativen zum Studium aufgezeigt werden. „Wir werden zwar keine Schwemme an Akademikern haben, aber auch kein Defizit. Bei den Fachkräften dagegen schon.“ Zudem müsste noch stärker in die Ausstattung von Berufsschulen mit Personal und zeitgemäßem Arbeitsmaterial investiert werden. „Da ist noch viel Luft nach oben.“