Niedersachsen, Hessen und NRW planen Initiative zur Vorratsdatenspeicherung
Die Bundesländer Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen planen eine Initiative zur Vorratsdatenspeicherung. Die Justizminister der drei Länder hatten gestern in einer digitalen Konferenz mit Experten mehrerer Staatsanwaltschaften über das Thema diskutiert. Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Oktober, nach der die Vorratsdatenspeicherung in bestimmten Fällen erlaubt sein kann.
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza beklagte nach der Konferenz, dass die Verfolgung schwerer Straftaten derzeit erschwert werde, weil die Verbindungsdaten der Nutzer gar nicht oder nur sehr kurzfristig gespeichert würden.
„Die Zeit reicht für die Ermittler nicht aus, um die Nutzer und die Anschlüsse zu identifizieren“, sagte Havliza. Sie sieht vor allem die Bundesnetzagentur am Zug, die die Kommunikationsunternehmen zur Speicherung und Weitergabe der Daten verpflichten müsse. Die derzeitige Gesetzeslage lasse die Speicherung sogenannter Verkehrsdaten grundsätzlich schon zu.
Eine gesetzliche Konkretisierung brauche es in Bezug auf Portnummern. Mit diesen Nummern lassen sich Daten, die an eine IP-Adresse gesendet werden, erst gezielt einer Anwendung zuordnen. Der Landesjustizministerin zufolge lässt es sich in die aktuelle Gesetzeslage „hineininterpretieren“, dass Portnummern mit abgefragt werden können. „Es wäre aber hilfreich, wenn in der Gesetzesfassung die Portnummern konkret mit aufgeführt werden, um Klarheit zu schaffen.“
Es geht um das Handwerkzeug, das die Ermittler benötigen, um erfolgreich zu arbeiten.
Man müsse an Täter, die einen digitalen Fußabdruck hinterließen, auch real herankommen, sagte Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann. „Es geht um das Handwerkzeug, das die Ermittler benötigen, um erfolgreich zu arbeiten.“ Der Rechtsstaat müsse im Internet genauso funktionieren wie in der realen Welt, dafür bräuchten die Ermittler mehr Möglichkeiten.
Ihr Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach, erhofft sich die das EuGH-Urteil mehr Möglichkeiten in der Strafverfolgung. Die Sieben-Tages-Frist, in der Internet-Provider IP-Adressen der Nutzer speichern dürfen, sei viel zu kurz. Das liege auch daran, dass die Server zumeist nicht in Deutschland stünden.
„97 Prozent der Auskünfte, die wir brauchen, beziehen sich auf Server mit Sitz im Ausland. Bis wir die haben, vergehen Monate,“, sagte Biesenbach. Er verwies auf Ermittlungen der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) in Köln, die kürzlich bei Ermittlungen im Zusammenhang mit Kinderpornographie auf rund 30.000 mögliche Täter gestoßen sei, bisher aber durch akribische Arbeit nur 611 Adressen habe ermitteln können.
Selbst wenn ein Anbieter im Ausland die Daten sieben Tage lang speichert, dauern die Abläufe des Rechtshilfeverfahrens viel zu lang.
Der Leiter der zentralen Ermittlungsstelle, Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, erklärte, es gebe kaum nennenswerte Provider in Deutschland. „Selbst wenn ein Anbieter im Ausland die Daten sieben Tage lang speichert, dauern die Abläufe des Rechtshilfeverfahrens viel zu lang“. Deshalb sei man in einer Vielzahl von Fällen nicht in der Lage, Informationen auf einen konkreten Anschluss zurückzuführen. Oberstaatsanwalt Andreas May von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sprach von einem ernüchternden und frustrierenden Zustand für die Ermittler. Man sei gezwungen, tausende Ermittlungsverfahren einzustellen.
Nach einem Hinweis auf Nutzer, die Kinderpornos verbreitet haben sollen, habe man die IP-Adresse nicht mehr zuordnen können, berichtete der Oberstaatsanwalt von einem Ermittlungsfall. „Hier hätten wir einen schweren noch laufenden sexuellen Missbrauch beenden können, aber uns waren die durch fehlende Daten die Hände gebunden.“ Angesichts der Kritik, die es an der Vorratsdatenspeicherung auch gibt, sprach sich May dafür aus, die Bürger stärker darüber aufzuklären, was überhaupt bei wem gespeichert werde.
„Da gibt es viele Missverständnisse und Fehlinformationen. Es geht um Daten, die bei den Providern liegen und nur unter ganz engen Voraussetzungen weitergegeben werden können.“ Die Ermittlungsrichter prüften dabei eigenständig, ob die Weitergabe der Daten angemessen sei.