Sechs Vorschläge gegen Langeweile im Parlament
Darum geht es: Der Landtag droht unter der Übermacht der rot-schwarzen Mehrheitskoalition in Langeweile zu erstarren. Deshalb brauchen wir Reformen, und zwar rasch – meint Klaus Wallbaum in seinem Kommentar.
Das neue Gebäude ist schon da, es wirkt groß, weitläufig und hell. Gute Bedingungen für eine hochwertige Debattenkultur im niedersächsischen Landtag sind also gegeben, zumindest räumlich. Das andere, das muss jetzt auch dringend angepackt werden.
In der gestrigen Landtagssitzung war die veränderte Stimmung mit Händen zu greifen: Grüne, FDP und AfD versuchten mit ihren begrenzten Kräften, Konflikte zuzuspitzen und inhaltliche Debatten anzustoßen. Sie prallten aber regelmäßig ab an einer Großen Koalition, die gegenwärtig, am Anfang ihres Wirkens, möglichst diszipliniert und geschlossen erscheinen möchte. Dem neuen CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer war die Absicht anzumerken, mit Attacken auf einzelne Grünen- und FDP-Politiker zur Belebung beizutragen – doch das schien allzu aufgesetzt. Eine wirklich engagierte Auseinandersetzung über Sachthemen wollte wegen der personellen und inhaltlichen Begrenztheit der höchst unterschiedlichen drei kleinen Oppositionsfraktionen nicht entstehen.
Bleibt das jetzt fünf Jahre lang so? Hoffentlich nicht!
Nötig wäre ein Plan zur Aufwertung der Landtagsdebatten, und die dafür erforderlichen Schritte sollten nicht erst in einer Enquetekommission ausgelotet werden, da sonst zu viel Zeit verloren geht. Am besten wäre es, wenn sich alle Fraktionen kurzzeitig auf einen Plan verständigen. Der könnte beispielsweise diese sechs Punkte umfassen:
Erstens: Die Redezeit wird radikal gekürzt, damit die Debatten lebhafter werden. Die Minister erklären in einer Selbstverpflichtung gegenüber dem Parlament, dass auch sie sich daran halten werden. Wer für eine Fünf-Minuten-Rede künftig nur noch drei Minuten hat, muss sich in den Formulierungen mehr anstrengen, um seine Botschaften zu vermitteln. Eigentlich kann deshalb eine kürzere Rede nur inhaltsschwerer werden. Zwischenfragen sollten generell zugelassen werden, solange nicht zu viele Fragesteller den Redner von seinem Konzept abbringen.
Zweitens: Beide Regierungsfraktionen verständigen sich, nur noch ein gemeinsames Thema für die aktuelle Stunde anzumelden und für die „dringlichen Anfragen“ generell keine eigenen Anträge mehr zu stellen. Das Recht, Themen zu debattieren oder in Anfragen das Regierungshandeln zu hinterfragen, ist zu allererst ein Oppositionsrecht – so sollte es auch gehandhabt werden.
Drittens: Es wird, analog zum Bundestag, eine „Regierungsbefragung“ eingeführt: Für jeden Donnerstag einer Landtagswoche werden drei Mitglieder der Landesregierung ausgewählt, die sich zusammen zwei Stunden lang von den Landtagsabgeordneten befragen lassen müssen. Die Fragen werden vorher nicht vorbereitet, jeweils drei Nachfragen zu jeder Frage sind zulässig. Auch hier verpflichten sich die beiden Regierungsfraktionen, keine eigenen Fragen anzumelden, nur je eine Nachfrage sollen sie stellen können.
Viertens: Landesverfassung und Geschäftsordnung des Landtags werden so geändert, dass zwei Fraktionen ausreichen, um einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, die Normenkontrollklage beim Staatsgerichtshof einzureichen oder ein Thema in die Beratung der Fachausschüsse zu überweisen.
Fünftens: Die Fraktionszuschüsse werden so neu geordnet, dass jede der Oppositionsfraktionen die Möglichkeit hat, ausreichend Personal an wissenschaftlichen Mitarbeitern zur Verfügung zu haben. Außerdem sollte es eine Kooperation zwischen Hochschulen und Oppositionsfraktionen mit dem Ziel geben, dass angehende Juristen, Politik- oder Wirtschaftswissenschaftler für eine zeitweilige Mitarbeit als wissenschaftliche Hilfskraft in einer Oppositionsfraktion abgestellt werden können. Weitere Bemühungen um eine Stärkung des Mitarbeiter-Apparates der kleinen Landtagsfraktionen sind unumgänglich, da die beiden großen Regierungsfraktionen über ihre Möglichkeit der Kooperation mit den Ministerien in einer ungleich besseren Startposition sind. Der juristische Dienst des Landtags wird darüber hinaus so verändert, dass Gutachtenaufträge der Oppositionsfraktionen generell Vorrang haben sollen gegenüber Aufträgen der Regierungsfraktionen.
Sechstens: Das Instrument der Regierungserklärungen wird eingeschränkt. Die bisher immer wieder zu beobachtende Neigung von Ministerpräsidenten oder Ministern, in bestimmten Situationen vor dem Landtag eine Rede zu halten, soll auf wenige Ausnahmen beschränkt werden. Denkbar ist, eine solche Entscheidung an die Zustimmung von mindestens zwei Oppositionsfraktionen zu knüpfen. Mit der Verfassung ist das zwar nicht vereinbar, aber die Regierung könnte sich auch hier in einer freiwilligen Selbstverpflichtung gegenüber der Volksvertretung binden.