Der heftige, an Emotionen reiche Familienstreit zwischen Ernst August jr., dem Chef des Welfenhauses, und seinem Vater Ernst August sen. überlagert seit Wochen eine eigentlich viel wichtigere Frage: Wie geht es mit der 150 Jahre alten Marienburg weiter? Das schöne neugotische Schloss auf einer Anhöhe in Nordstemmen bei Pattensen ist vom Verfall bedroht. Das Haus könnte vom Hang abrutschen, muss also befestigt werden. Außerdem hat das Gebäude eine Auffrischung verdient, und ein neues Vermarktungskonzept könnte es zum touristischen Highlight machen. Aber der Eigentümer, Ernst August jr., hat nach eigenem Bekunden dafür nicht das nötige Geld. So wollte er vergangenen Herbst einen Vertrag mit dem Land schließen, bis sein Vater rechtliche Bedenken äußerte und damit alles blockierte. Während Vater und Sohn seither böse Briefe austauschen, tüftelt das Land hinter den Kulissen an einer neuen Konzeption zur Rettung der Marienburg. Wie das Politikjournal Rundblick erfuhr, soll die Klosterkammer dabei keine Rolle mehr spielen.

Ist der Kauf der Burg mit dem Zweck der Klosterkammer vereinbar?

Die Gespräche zwischen der Landesregierung und Ernst August jr. über die Zukunft dieses Schlosses reichen schon zurück in die Regierungszeit von Ministerpräsident David McAllister (CDU). Seinerzeit war eine Vereinbarung nicht zustande gekommen, und in der rot-grünen Regierungszeit zwischen 2013 und 2017 bewegte sich in der Sache offenbar gar nichts. Im vergangenen Jahr nahm sich Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) der Angelegenheit an, und mit Rückendeckung von Ministerpräsident Stephan Weil versuchte er, die Klosterkammer als Eigentümer zu gewinnen. Damals war anfangs noch davon die Rede, dass die Burg für drei Millionen Euro den Besitzer wechseln sollte. Das Geschäft schien zunächst auch zu gelingen, bis aus dieser Behörde, die den säkularisierten Kirchenbesitz im alten Königreich Hannover verwaltet, Bedenken laut wurden – wohl vor allem aus dem Beirat. Ist der Kauf mit dem Zweck der Kammer vereinbar? Der Klosterfonds kümmert sich laut Satzung nur um früheren Kirchenbesitz, nicht um früheren Königsbesitz, juristische Winkelzüge wären also nötig geworden. Außerdem bestehe die Gefahr, hieß es, dass der Aufwand viel höher würde als die in einem früheren Gutachten angegebenen 27 Millionen Euro, von denen die Hälfte der Bund tragen will. Also zog die Klosterkammer selbst zwei Bremsen ein: Zum einen sollte nur ihre eigene Immobiliengesellschaft Limak die Marienburg übernehmen, und zwar befristet, quasi nur als Dienstleister. Zum anderen forderte sie vom Land die Übernahme einer Garantie, damit sie auf womöglich ausufernden Kosten nicht sitzen bleibt. So war der Stand Ende November, als Thümler und der Erbprinz ihre Pläne öffentlich verkündeten.

Landesregierung will keine Garantieerklärung abgeben

Dann aber wurde das öffentliche Zerwürfnis zwischen Erbprinz und Vater publik, und das erleichterte der Landesregierung die Begründung dafür, zunächst tatenlos abzuwarten: Man hoffe auf eine gerichtliche Klärung in der Welfenfamilie und mische sich nicht ein. Eigentlich kam der Streit wie gerufen, denn auch in der SPD/CDU-Koalition ist die Begeisterung für den Deal nie groß gewesen. Auch hier gibt es viele Bedenkenträger, wie immer deutlicher wird. Nach Informationen des Politikjournals Rundblick weigert sich die Landesregierung, die von der Klosterkammer geforderte Garantieerklärung für die Limak abzugeben. Auch deren Einlassung, nur vorübergehend das Eigentum anzunehmen, stößt auf Ablehnung. Damit scheint die angepeilte Vereinbarung gegenstandslos zu werden. Das heißt: Wenn sich der Rechtsstreit von Vater und Sohn klären sollte und der Verkauf der Marienburg wieder aktuell wird, dürften die Klosterkammer und die Limak aus dem Rennen sein. Für diesen Fall sucht die Landesregierung nun nach einer Alternativlösung, also einen neuen dauerhaften Eigentümer für die Marienburg. Dieser würde das Gebäude dann für einen Euro übernehmen, ewig behalten und über Anträge bei der Denkmalpflege des Landes die nötigen Mittel für die Sanierung bekommen. Wer könnte es sein? Ob die landeseigene Niedersachsen-Stiftung rechtlich und finanziell in der Lage wäre, in ein solches Geschäft einzutreten, ist eher fraglich. Ob vielleicht die VGH-Stiftung in Betracht käme, die sich auch um Wissenschaft, Kultur- und Denkmalpflege bemüht? Die Landesregierung hüllt sich dazu in Schweigen.


Lesen Sie auch:

Thümler: Land ist weiterhin am Erhalt der Marienburg interessiert

Die Marienburg als Symbol: Wie der Landtag sich um den Haushalt streitet


Parallel geht es noch um die andere wichtige Frage, ob nämlich der Rechtsstreit im Welfenhaus die ganze Entwicklung auf unbestimmte Zeit lähmen könnte. Schlimmstenfalls könnte Ernst August jr. das Tor verrammeln, die Ausstellungen schließen und den Zahn der Zeit an dem Haus nagen lassen, womöglich über Jahre, bis endlich ein letztinstanzliches Urteil vorliegt. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, es gibt Hoffnungsschimmer am Horizont. Die Regierung hatte von Ernst August sen. eine Übersicht über seine Argumentation angefordert – und auf 32 Seiten eine Darstellung erhalten. Diese wird jetzt, heißt es, von den Juristen des Landes ausgewertet. Mehrere Gründe könnten dafür sprechen, dass die Situation gar nicht so verfahren ist, wie manche es darstellen. So ist eindeutig, dass Ernst August jr. im Grundbuch eingetragen ist, damit als rechtmäßiger Eigentümer agieren kann. Sein Vater beruft sich zwar auf das sogenannte „Hausrecht“, also überlieferte welfische Rechtsregeln. Viel spricht aber dafür, dass diese im Zweifel nicht höher gewichtet werden können als die für jedermann geltenden Geschäftsregeln im Bürgerlichen Gesetzbuch. Außerdem kann man beim Lesen der 32 Seiten den Eindruck bekommen, dass es Ernst August sen. gar nicht um die Marienburg geht, sondern um den Vorsitz der „Herzog-von-Cumberland-Stiftung“, aus dem er sich herausgedrängt sieht. Diese Stiftung verwaltet das Vermögen der Welfen in Österreich. Wenn sich Vater und Sohn hier verständigen sollten, hätte Ernst August jr. dann freie Hand bei der Marienburg?

Es ist einiges in Bewegung, aber noch bewahren alle Seiten höchste Verschwiegenheit. (kw)