Neues Klimagesetz schärft bei den Zielen nach und nimmt die Kommunen in die Pflicht
Kaum anderthalb Jahre nach der Verabschiedung des Landes-Klimagesetzes hat der niedersächsische Landtag in seiner gestrigen Sitzung mit den Stimmen von SPD und CDU die erste umfangreiche Novellierung beschlossen. Im Vergleich zur 2020er-Version des Klimagesetzes schärft das Land bei seinen eigenen Klimazielen nach. Bis zum Jahr 2030 sollen die Gesamtemissionen nun um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 verringert werden, bislang hatte man nur um 55 Prozent vorgesehen. Bis 2035 soll die Minderung dann mindestens 76 Prozent und bis 2040 mindestens 86 Prozent betragen. Die Treibhausgasneutralität soll bis 2045 und nicht erst bis 2050 erreicht werden.
Zudem wurden beim Ausbau der Erneuerbaren Energien klare Ziele ins Gesetz geschrieben. So wird das 2,1 Prozent Flächenziel für Windenergie an Land ebenso aufgenommen wie die Vorgabe, dass mindestens 0,47 Prozent der Landesfläche für Solaranlagen vorgehalten werden soll. Zusätzlich zu den Flächen schreibt das Klimagesetz nun auch Leistungsziele vor: 30 Gigawatt Windenergie an Land sowie 65 Gigawatt Photovoltaik sollen erreicht werden, wovon 50 Gigawatt auf bereits versiegelten Flächen, also zum Beispiel Dächern, installiert werden sollen. Umweltminister Olaf Lies (SPD) betonte, dass Windräder am Horizont künftig das Bild für eine „bezahlbare, verlässliche Energieversorgung“ sein sollten.
Kommunen müssen künftig Klimaschutzkonzepte erstellen
Das Land soll künftig außerdem eine stärkere Vorbildfunktion einnehmen. So soll der Moorschutz auf den landeseigenen Flächen vorangetrieben werden. Außerdem sollen Flächen im Eigentum des Landes vorrangig genutzt werden, wenn es um Klimafolgenanpassung geht – wenn also beispielsweise Deiche höher und breiter ausgebaut werden müssen. Die Landesverwaltung soll bereits bis 2040 klimaneutral sein, nicht erst 2050. Während für sämtliche Neubauten ab dem kommenden Jahr eine Solardach-Pflicht gilt, nimmt sich das Land selber vor, bis 2025 auf 30 Prozent der geeigneten Dachflächen von Landesliegenschaften Photovoltaik-Anlagen installiert zu haben, bis 2040 sollen dann alle in Frage kommenden Dächer bebaut sein. Startschuss für die landeseigenen Dächer wird 2024 sein – „weil der Haushalt bereits feststeht“, begründete Lies.
„Dieses Gesetz allein wird das Klima nicht retten. Aber mit Zielen und Verlässlichkeit einen großen Beitrag leisten, um Emissionen zu drosseln.“
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll zudem Vorrang vor dem Denkmalschutz haben. Weitere Aufgaben kommen nun auf die Kommunen zu: Bis Ende 2024 müssen alle Landkreise und kreisfreien Städte Klimaschutzkonzepte erstellen. Alle Gemeinden müssen bis Ende 2025 ein Kataster einführen, anhand dessen ermittelt wird, welche Flächen im Gebiet der Gemeinde bis Ende 2028 entsiegelt werden können. Außerdem sieht das neue Klimagesetz nun kommunale Wärmepläne vor, die bis Ende 2027 von den Mittel- und Oberzentren ausgefertigt und dann alle fünf Jahre aktualisiert werden müssen. Diese Pläne sollen dazu beitragen, den jeweils benötigten Wärmebedarf zu ermitteln und Energieeffizienz der vorhandenen Gebäude zu steigern.
Minister Lies: „Nicht die letzte Anpassung des Klimagesetzes“
Für den Umweltminister sowie die umweltpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, Marcus Bosse (SPD) und Martin Bäumer (CDU), ist allerdings bereits jetzt klar: Das wird nicht die letzte Anpassung des Klimagesetzes gewesen sein. „Dieses Gesetz allein wird das Klima nicht retten. Aber mit Zielen und Verlässlichkeit einen großen Beitrag leisten, um Emissionen zu drosseln“, erklärte Bosse und lobte das Gesetz als „großen Wurf“. Sein Koalitionskollege Bäumer bezeichnete die Änderungen lieber als „Meilenstein“ auf einem noch langen Weg.
Für Christian Meyer von den Grünen hätte der Wurf aber gerne noch etwas weiter reichen können. Er sprach von „viel weißer Salbe bei den Zielen“, doch bei der konkreten Umsetzung passiere zu wenig. Aussagen zu einer Verminderung des Autoverkehrs oder beim Ausbau von Autobahnen fehlen ihm. Das Flächenziel für Windkraftanlagen reiche mit 2,1 Prozent zwar über die im Landesraumordnungsprogramm (LROP) vorgesehenen 1,4 Prozent hinaus. Da das LROP an dieser Stelle aber entscheidend sei, nütze das höhere Flächenziel im Klimagesetz nichts, sagte Meyer und bemängelte einen zu langsamen Ausbau der Windkraft unter Umweltminister Lies im Vergleich zur Bilanz seines Vorgängers Stefan Wenzel (Grüne).
Diese Kritik wiesen die Vertreter der Regierungskoalition allerdings mit einer bemerkenswerten Begründung zurück: Da die Genehmigung einer Windkraftanlage im Schnitt sieben Jahre dauere, habe Minister Wenzel seinerzeit von den Bauanträgen aus der Zeit seiner Vorgänger von der FDP (Hans-Heinrich Sander und Stefan Birkner) profitiert, der amtierende Umweltminister Lies könne derweil derzeit nur die wenigen Erträge aus der Amtszeit Wenzels ernten.
Dieser Artikel erschien am 29.06.2022 in der Ausgabe #121.
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