Schon die ersten Worte des neuen Vorsitzenden klingen merkwürdig. „Was ist unsere Rolle in einer Großen Koalition? Wir müssen erst einmal zu uns selbst finden“, sagt Dirk Toepffer (52), frischgebackener Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion, gleich nach seiner Wahl. Er spricht nicht von den großen Aufgaben der neuen Regierung, von großen Verpflichtungen oder Kompromissen mit der SPD, sondern von der eigenen Befindlichkeit der Christdemokraten. Das Signal ist deutlich: Da tritt einer an, der sich zunächst mal um das Binnenklima in der CDU kümmern will. Einer, der den eigenen Leuten zuhören und sie aufrichten will.

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Das ist wohl auch nötig. Die große Partei, die monatelang an einen sicheren Sieg bei der Landtagswahl glaubte, dann am Wahltag doch hinter der SPD landete und sich nun als Juniorpartner in einer Großen Koalition unter einem möglicherweise dominanten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten wiederfindet, erlebt gegenwärtig ein Wechselbad der Gefühle. Es sind Umbruchzeiten für die Partei, im Bund ebenso wie im Land Niedersachsen. Am Montagabend stand, parallel zur Billigung des Koalitionsvertrages, beim „kleinen Parteitag“ eine Aussprache über die Fehler und Mängel im Wahlkampf an. Der seit fast anderthalb Jahren amtierende Landesvorsitzende Bernd Althusmann, der eigentlich Zielscheibe von interner Kritik sein müsste, setzte sich an die Spitze der Bewegung und zählte als erster die eigenen Schwächen auf – falsche Wahlkampfführung, schlechte Kommunikation, fehlende Unterstützung der Landespartei für die Kandidaten vor allem im Süden und Osten des Landes. Dadurch, dass Althusmann damit in die Offensive ging, wehrte er mögliche Angriffe auf sich selbst ab – und sicherte seine Position. Den Wunsch nach Erneuerung, der beim „kleinen Parteitag“ von vielen Delegierten vorgetragen wurde, müssen nun zwei andere Politiker in neuen Positionen umsetzen: zuerst Toepffer, der neue Chef der Landtagsfraktion, dann Kai Seefried aus Stade, der neue CDU-Generalsekretär. In seiner ersten Rede kurz vor der Wahl beim „kleinen Parteitag“ setzte Seefried ein Zeichen – er verließ das Podium, nahm das Mikrophon und ging durch die Reihen, ein bisschen so wie ein amerikanischer Prediger im Fernsehen. Das kam an, denn es symbolisierte einen neuen, lockeren Umgangston.

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Während Seefried in den kommenden Monaten die Partei modernisieren soll, übers Land tingelt und die Landesgeschäftsstelle umrüstet, ist die Aufgabe des neuen Fraktionschefs Toepffer, der gestern mit 42 Ja- und sieben Nein-Stimmen gewählt wurde, ähnlich schwierig. Einerseits soll er den CDU-Ministern im Kabinett, Althusmann besonders, den Rücken freihalten. Die Christdemokraten im Landtag sollen die Regierungspolitik nicht nur mittragen, sondern mit Überzeugung vertreten. Daneben aber soll die CDU in der rot-schwarzen Koalition auch noch eigenes Profil entwickeln. Die Kontakte zum langjährigen Partner FDP sollen nicht vernachlässigt, die zu den Grünen langsam intensiviert und die zur AfD mit einer klaren Grenzziehung geregelt werden. Noch dazu gibt es in der CDU-Fraktion viele, die in der Regierungspolitik auch gern stärker mitmischen würden – und die mit Althusmanns Art, der zuweilen etwas schroff und kurz angebunden wirkt, schlecht umgehen können. Hier ist Toepffer als „Kummerkasten“ gefordert. Der Rechtsanwalt aus der Großstadt Hannover, der die CDU gern für moderne Themen, für Frauenförderung und liberale Positionen öffnen möchte, hat jahrelang als Kreisvorsitzender seine Fähigkeit als Teamchef bewiesen – außerdem gilt er als talentierter Redner. Ihm zur Seite steht auch künftig Jens Nacke aus dem Ammerland als Parlamentarischer Geschäftsführer. Nacke war früher vor Rot-Grün ein rotes Tuch, da er als Oppositionspolitiker die Attacke beherrschte und hart austeilen konnte. Er gilt gleichzeitig als einer der klügsten Köpfe im Landtag, weshalb Toepffer auch an ihm festhalten wollte.

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Die neue Fraktionsspitze war auch gleich schon vor die erste Prüfung gestellt. Sollte man, analog zur SPD, die einen ihr zustehenden Landtagsvizepräsidentenposten an die Grünen abgibt, ähnlich großzügig gegenüber der FDP verfahren? Wenn ja, hätte die CDU nur einen Platz im engeren Landtagspräsidium gehabt, die SPD hingegen zwei. Einige wie Jörg Hillmer empfahlen, auf die FDP zuzugehen, der alten Freundschaft wegen. Andere rieten, dies jetzt nicht zu tun und zunächst mal an die Ambitionen der eigenen Leute zu denken. Eine Mehrheit entschied, beide Vizepräsidentenposten für die CDU zu reklamieren und der FDP in diesem Punkt nicht zu helfen. Gewählt werden sollen heute Frank Oesterhelweg (Wolfenbüttel) und der bisherige Landtagspräsident Bernd Busemann (Emsland). Gudrun Pieper (Walsrode) war unterlegen. Sechs stellvertretende Fraktionschefs hat die CDU gestern auch gewählt – Jörg Hillmer (Wissenschaft), Mareike Wulf (Kultus), Ulf Thiele (Finanzen), Martin Bäumer (Umwelt), Uwe Schünemann (Inneres) und Helmut Dammann-Tamke (Landwirtschaft). Bis auf Hillmer kommen alle neu in die engere Fraktionsführung, auch wenn altbekannte Namen dabei sind. (kw)