Der Naturschutzbund (Nabu) kritisiert intransparente Verflechtungen zwischen den Bauernverbänden, der Agrarwirtschaft und der Politik. Mit einer Studie, die der Nabu am heutigen Dienstag veröffentlicht, solle „das Netz der Agrarlobby in Deutschland offengelegt“ werden.

Besonders eng sei demnach der Deutsche Bauernverband mit CDU, CSU und Europäischer Volkspartei (EVP) verwoben. Deshalb taucht auch der frühere niedersächsische Bundestagsabgeordnete und aktuelle Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands, Franz-Josef Holzenkamp (CDU), an prominenter Stelle in dieser Studie auf. Er wird als eine von fünf Schlüsselpersonen bezeichnet, die im Betrachtungszeitraum der Studie „zahlreiche Funktionen in verschiedenen Gremien von Unternehmen, Behörden und Verbänden übernommen“ haben.

Leidet die Politik unter zuviel Lobby-Verknüpfungen mit der Landwirtschaft? – Foto: Feodora Chiosea, Getty Images

Holzenkamp war von 2005 bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestags und arbeitete dort im Agrarausschuss, ab 2011 sogar als agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. In dieser Zeit hat er aber auch zahlreiche andere Funktionen wahrgenommen, insgesamt acht zählt die Studie. Ab 2011 war er etwa auch Aufsichtsratsmitglied der Agravis Raiffeisen AG oder in der Zeit von 2002 bis 2013 Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen – also des niedersächsischen Ablegers des Bauernverbandes.

Weitaus mehr Funktionen hatte laut Studie noch ein anderer Niedersachse inne: Mit insgesamt 13 Funktionen rangiert der frühere Bauernverbands-Vizepräsident Werner Hilse auf Platz drei der Schlüsselpersonen, nur übertroffen vom nordrhein-westfälischen CDU-Bundestagsabgeordneten Johannes Röring mit 15 und dem Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied mit 18 Funktionen.

Agrarpolitik muss dem Gemeinwohl dienen, nicht den Interessen weniger Großbetriebe und jenen, die an der hoch-intensiven Landwirtschaft mitverdienen, wie Hersteller von Pestiziden.

In der Studie, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt, wirft der Nabu den Bauernverbänden vor, mit ihrer Lobbyarbeit dazu beizutragen, dass Entscheidungen gegen das Gemeinwohl getroffen würden. Dies betreffe sowohl die Düngeverordnung als auch die Verteilung der EU-Agrarförderung. „Agrarpolitik muss dem Gemeinwohl dienen, nicht den Interessen weniger Großbetriebe und jenen, die an der hoch-intensiven Landwirtschaft mitverdienen, wie Hersteller von Pestiziden“, sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke.

Außerdem seien bestimmte politische Entscheidungen bislang nicht nachvollziehbar, wie etwa zum Düngerecht oder zur Verschiebung des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration bis Ende 2020. In der Studie, die der Nabu beim Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen in Auftrag gegeben hatte, werden mehr als 150 Personen und Institutionen betrachtet – aus Finanzwirtschaft, Agrochemie, Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Verbänden. Wie die Wissenschaftler erklären, seien sie dabei für den Zeitraum von 2013 bis 2018 auf 560 Verbindungen mit mehreren Netzwerkknotenpunkten in Berlin und Brüssel gestoßen. Außerdem wollen sie Hinweise auf ein „abgestimmtes Zusammenspiel“ und Aufgabenteilung festgestellt haben. Die Studienautoren fordern deshalb ein Lobbyregister für Deutschland, das bislang allerdings am Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gescheitert sei.


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Weitere Kritik üben die Autoren der Studie an den Landwirtschaftskammern – nicht zuletzt in Niedersachsen. Diese seien „Bewilligungsbehörde, Kontrollinstanz und landwirtschaftliche Interessenvertretung in einem“, stellen die Wissenschaftler fest und regen dazu an, über diese Verquickung der Funktionen nachzudenken. So heißt es etwa in der Studie: „Angesichts der aufgezeigten Verzahnungen der Landwirtschaftskammern und ihres Verbandes (VLK) mit anderen landwirtschaftlichen Verbänden und Knotenpunkten erscheint eine Überprüfung der hoheitlichen Aufgaben notwendig.“ Die Übertragung staatlicher Aufgaben solle an Landesämter beziehungsweise -behörden zurückgeführt werden, empfehlen die Wissenschaftler der Universität Bremen. In Niedersachsen hatte es vor wenigen Jahren bereits eine Neuorganisation der Landwirtschaftskammer mit dem Ziel einer Entflechtung gegeben.