Nach der Wahl in Berlin: Die CDU auf der Suche nach Paradiesvögeln
Der Vorsitzender CDU Hannover, Dirk Toepffer, schrieb am Abend der Berliner Abgeordnetenhauswahl auf seiner Facebook-Seite, dies sei ein angemessenen Zeitpunkt, um den Stand der Partei selbstkritisch zu reflektieren. Die Philosophie einer modernen Großstadt-CDU sei noch nicht überall angelangt. Mit Dirk Toepffer sprach Martin Brüning.
Rundblick: Herr Toepffer, nach dem für die CDU enttäuschenden Ergebnis in Berlin schrieben Sie, die Verluste lägen nicht nur an der rechtspopulistischen AfD, sondern noch tiefer? Wo liegen die Gründe Ihrer Meinung nach?
Toepffer: Gesellschaftliche Veränderung setzt immer zuerst in Städten ein. Politik muss programmatisch auf solche Veränderungen reagieren. Ein Beispiel: Wenn immer mehr Menschen ganz offen ihre Homosexualität ausleben, dann brauchen Sie als Partei unter anderem eine neue Haltung zum Adoptionsrecht bei Homosexuellen. Nun ist der große Tanker CDU ohnehin schon schwer zu bewegen. Da müssen bei Entscheidungen allein in Niedersachsen viele mitgenommen werden, auch aus nicht großstädtischen Gebieten. Deshalb dauert bei uns die Entscheidungsfindung manchmal quälend lange. Das ist vielen in der schnelllebigen Großstadt aber zu langsam – diese Wähler sind dann weg.
Rundblick: Aber wie erreichen Sie mehr Tempo?
Toepffer: Sie müssen als eigener Großstadtverband wahrgenommen werden, als eigene Marke und nicht nur als Teil der Gesamt-CDU. Das haben Sie vor zehn Jahren in Hamburg gesehen. Damals hat Ole von Beust es geschafft, mit der CDU in Hamburg eine eigene, moderne Marke aufzubauen. Und wenn Sie das geschafft haben, müssen Sie neue gesellschaftliche Entwicklungen aufnehmen und ihr Programm darauf anpassen. Bei der letzten Kommunalwahl in Hannover hat es schon ganz gut funktioniert, mit einer eigenen Programmatik wahrgenommen zu werden. Dadurch haben wir auch Wähler von SPD und Grünen gewinnen können.
Rundblick: Sie haben Ole von Beust angesprochen: Fehlen der CDU solche interessanten, mitreißenden Typen oder sieht man sie nur nicht?
Toepffer: Man sieht sie nicht. Mir begegnen immer wieder ganz interessante Typen bei der CDU. Aber Paradiesvögel schwimmen eben auch mal gegen den Strom und das ist in der CDU nicht so einfach. Wir müssen solche spannenden Persönlichkeiten aber finden und ihnen Raum zur Entwicklung geben. Dazu brauchen wir Führungspersönlichkeiten, die zum Widerspruch auffordern und die jungen Leute fördern, auch wenn von ihnen mal ein kritisches Wort kommt.
Rundblick: Ist die CDU in einer Großstadt in der Breite, zum Beispiel in den Vereinen, präsent genug?
Toepffer: Da müssen wir noch besser werden. Unsere Bindung im Bereich der Kultur besteht zum Beispiel im Wesentlichen im Bereich der Hochkultur. Da sprechen wir vom Sprengel- Museum oder von der Kestner-Gesellschaft. Aber wie präsent sind wir eigentlich im Bereich der freien Kultur oder der Soziokultur? Da sind wir ganz klar unterrepräsentiert. Oder: Wer befasst sich mit der Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden, die sich gar nicht so stark in Parteien engagieren können? Die CDU-Mitglieder sind stark vertreten bei der Feuerwehr und im Schützenverein. Aber in vielen anderen Bereichen des urbanen Lebens sind wir oftmals zu wenig präsent.
Rundblick: Wie muss die CDU ihre Kommunikation verändern, um stärker wahrgenommen zu werden?
Toepffer: Da sind beispielsweise die sozialen Medien heute natürlich wichtig. Aber auch im Jahr 2016 gilt: Es geht nichts über den direkten, persönlichen Kontakt zu anderen Menschen. Sie brauchen Mitglieder, die auch in Vereinen aktiv sind und die auch mit der CDU verbunden werden. Auch bei der Kommunalwahl hat sich übrigens wieder gezeigt: Alle Kandidaten, die fleißig Hausbesuche gemacht haben, haben die besten Ergebnisse erzielt.