Wer in den 80er Jahren ein Auto mit Dieselmotor fuhr, der musste noch mehrere Sekunden warten, bis er den Zündschlüssel umdrehen konnte – man sprach im Scherz von der „Rudolf-Diesel-Gedenkminute“. Wenn der Motor dann gestartet wurde, hörte man vorne das Nageln und hinten sah man den Ruß. Das sogenannte Vorglühen ist dreißig Jahre später kein Thema mehr und auch die Motoren sind laufruhiger geworden. Der Ruß ist dagegen immer noch ein Thema –  und gerät seit dem Dieselskandal bei Volkswagen immer stärker in den Fokus.

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Die neu gemessenen Werte des Umweltbundesamtes (UBA) waren in dieser Woche dabei das Vorglühen für eine politische Debatte, die jetzt mit Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies ihren Anfang nimmt. Das UBA will herausgefunden haben, dass auch moderne Diesel-Autos im Alltag die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide massiv überschreiten. Im Durchschnitt stießen Diesel der Abgasnorm Euro 6 pro Kilometer mehr als 500 Milligramm Stickoxide aus. Das wäre mehr als das Sechsfache des vorgeschriebenen Grenzwertes. Im niedersächsischen Wirtschaftsministerium fordert man deshalb jetzt einheitliche Straßentests für alle, damit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann. Dies müsse am besten in einem Bundesinstitut gebündelt werden, an dem sich auch Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel Umweltinstitute beteiligen könnten. „Wir brauchen einheitliche Tests auf der Straße, die auch realistisch sein müssen. Dafür gibt es genügend Erkenntnisse, die man in den vergangenen Jahren gewonnen hat“, sagte Ministeriumssprecher Stefan Wittke und ergänzte: „Von solchen Debatten allein wird die Luft nicht sauberer.“ Straßentests sind bisher ebenfalls nicht vorgeschrieben, die Prüfung im Labor reicht aus. Das soll sich ab September ändern.

Nichts sei unglücklicher für Autohersteller und Kunden, als dass ständig irgendjemand mit neuen und nicht akzeptablen Ergebnissen um die Ecke käme, meint Wittke. Das Problem sei, dass die aktuellen Tests rechtlich nicht vorgeschrieben seien und deshalb auch keine rechtliche Verbindlichkeit auslösten. Nach Meinung des Landeswirtschaftsministers ist jetzt der Bund gefragt. In Aktion treten müssten Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. „Man darf allerdings bezweifeln, dass das noch in dieser Legislaturperiode passiert“, schränkte Wittke ein. Das wiederum bereitet dem Landesumweltministerium Bauchschmerzen. „Es müssen kurzfristig Lösungen gefunden werden und deshalb ist die Bundesregierung gefordert, zu handeln“, sagt Ministeriumssprecher Rudi Zimmeck. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf und es wäre nicht gut, wenn in dieser Legislaturperiode gar nichts mehr passiert.“

Während die Debatte glüht, bereitet auch modernsten Dieselmotoren vor allem kühleres Wetter Probleme. Das geht aus dem UBA-Test mit mehr als 50 Modellen der Euro-5- und Euro-6-Norm hervor. Vom Kleinwagen bis zum Geländefahrzeug war alles dabei. Das Ergebnis: Wenn es draußen kalt ist, kommen deutlich mehr Stickoxide aus dem Auspuff. Der Euro-5-Diesel kommt dann im Durchschnitt sogar auf mehr als 900 Milligramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Der Grenzwert für solche Motoren liegt bei 250 Milligramm. CDU-Fraktionsvize Dirk Toepffer hält die Idee des Wirtschaftsministers für „weiße Salbe“. Das Problem werde dadurch nicht an der Wurzel gepackt. „Man kann das auf Bundesebene vereinheitlichen und erreicht damit vielleicht auch mehr Rechtssicherheit, der Streit um die Testverfahren wird damit aber nicht beendet sein. Es wird auch danach Umweltinitiativen mit eigenen Verfahren geben“, prognostiziert Toepffer. Man müsse sich eingestehen, dass der Diesel nun einmal nicht so sauber sei wie gedacht.

Man könne die Verfahren nicht in die Hand von Nichtregierungsorganisationen geben, meint Jörg Bode, stellvertretender Vorsitzender der FDP im Landtag. „Eine Überprüfung muss immer eine Aufgabe der staatlichen Institutionen sein.“ Laut Bode ist es auch gar nicht so wichtig, ob die Tests auf der Straße oder im Labor stattfinden. „Die Simulation muss am Ende realistisch sein. Dafür ist es nötig, sich auf ein einheitliches und vernünftiges Verfahren zu verständigen. Außerdem sollten Fahrzeugmodelle auch in einigen Abständen immer wieder kontrolliert werden, um zu prüfen, ob die anfänglichen Werte auch nach einiger Zeit noch eigenhalten werden.“ Dirk Toepffer bemängelt, dass den Städten mit einer neuen bundeseinheitlichen Regelung ohnehin nicht geholfen sei. Dafür wäre es seiner Meinung nach wichtig, Elektromobilität stärker zu fördern. „In Hannover haben wir immer noch eine beklagenswerte Anzahl von Ladestationen. Dabei könnte man bei größeren Neubauprojekten eine bestimmte Anzahl von Ladestationen gleich mitplanen. Dazu solle man auch einmal Geld in die Hand nehmen, anstatt eine Kaufprämie für E-Autos anzubieten, die kaum jemand in Anspruch nimmt.“ (MB.)