Mit frischer Führung und forschen Sprüchen: Der Beamtenbund begehrt jetzt auf
Sogar Thomas Hermann, der immer etwas bescheiden-zurückhaltende Bürgermeister der Stadt Hannover, kam in seinem kurzen Grußwort darauf zu sprechen: „Man spürt die Leidenschaft, mit der sie ihre Positionen vertreten.“ Der Sozialdemokrat Hermann äußerte sich gestern Nachmittag bei der Hauptversammlung des Niedersächsischen Beamtenbundes (NBB), der Spitzenorganisation für 66.000 Bundes-, Landes- und Kommunalbeamte in Niedersachsen. Eigentlich ist der NBB nur ein Dachverband für mehr als 40 Einzelgewerkschaften, aber seit diesem Montag ist klar: Künftig will diese Organisation lauter ihre Stimme erheben, stärker den öffentlichen Diskurs mitbestimmen – und auch kritischer auftreten gegenüber der Landespolitik, den Ministern der Regierung und den Abgeordneten im Landtag.
Zum Stilwechsel passt die personelle Veränderung: Seit Anfang 2018 war der Justizvollzugsbeamte Martin Kalt (54) der Vorsitzende des Landesverbandes. Einer, der durchaus hart und unerbittlich seine Positionen vertrat, aber in der Öffentlichkeit stets seine Worte abgewogen hat und für die lauten und schrillen Töne nicht geschaffen war. Kalt trat zur Wahl wieder an, bekam aber mit dem 46-jährigen Leiter des Polizeikommissariats Langenhagen, Alexander Zimbehl, einen Herausforderer. Die Wahl fiel denkbar knapp aus, für Zimbehl waren 73 Delegierte, für Kalt 71. Nun gibt es Hinweise, dass der Beamtenbund in jedem Fall bei dieser Festveranstaltung viel kämpferischer, ja aggressiver auftreten wollte als bisher – auch dann, wenn Kalt an der Spitze geblieben wäre. Da die „Grundsatzrede des Vorsitzenden“ nun aber von Zimbehl stammte, wirkte der Beamtenbund wie ausgewechselt. Als würde nach einer Revolte jetzt ein neuer Wind durch die Reihen wehen.
Der Vize-Vorsitzende rüffelt die Ehrengäste
Das fing an mit der Begrüßungsrede, in der der im Amt bestätigte Vize-Vorsitzende Peter Specke (Gewerkschaft der Kommunalbeamten) Tadel an einige Ehrengäste verteilte: Man sei „not amused“, dass das Tarifergebnis für die Landesbeschäftigten nur zeitverzögert auf die Beamten übertragen worden sei. Dies habe „nichts mit Wertschätzung zu tun“, rüffelte er an die Adresse von Finanzminister Reinhold Hilbers. Dass für die meisten Beamten das Weihnachtsgeld von 2020 an nur 300 Euro brutto betrage, sei „ein Treppenwitz“. „Da müssen sie noch ein bisschen was auf die Schippe drauflegen.“ Auch Finanz-Staatssekretärin Doris Nordmann und die Vertreter der Koalitionsfraktionen ging Specke mit spitzen Formulierungen an. Ein Raunen ging durch die Reihen der Ehrengäste, manche meinten wohl, das Auftreten des NBB-Vizechefs sei unangemessen oder gar ungehörig. Doch der Beamtenbund hat das wohl kalkuliert: Er wollte absichtlich frech sein an diesem Tag, die Politiker sollten bewusst ein wenig provoziert werden.
Lesen Sie auch:
Warum die Große Koalition plötzlich ihre Zuneigung zu den Landesbeamten entdeckt
„Wir dürfen bei der Beamtenbesoldung die unteren Gehaltsgruppen nicht vergessen“
In der Grundsatzrede des neuen Vorsitzenden wurde das fortgesetzt: Bei der Übertragung des Tarifergebnisses habe er ein „Zaudern, Mauern und Hinhalten“ erlebt. Das sei „kein politisches Meisterstück“ gewesen und habe „bei vielen Mitarbeitern Unmut und tiefe Enttäuschung hervorgerufen“. Zimbehl griff die Föderalismusreform an, mit der Zuständigkeit für die Besoldung auf die Länder übertragen wurde. Das führe zu „Unzufriedenheit, Neid und Missgunst“ und solle wieder zugunsten einer Bundes-Zuständigkeit geändert werden: „Das Feuer brennt in Münster genauso wie in Osnabrück. Aber die, die es löschen, werden an beiden Orten unterschiedlich bezahlt. Das geht so nicht.“ Der neue NBB-Chef verlangte ein Weihnachtsgeld auch für die Pensionäre („Ohne die Ruhestandsbeamten können wir uns das nicht vorstellen“), warnte davor, diese Sonderzahlungen bei nötigen Mehrausgaben etwa für die Nord/LB einzufrieren („Das wird mit uns nicht zu machen sein!“) und forderte ein entschiedenes Eintreten der Politik gegen jegliche Angriffe auf Beamte („Da muss der Staat deutlich und mit aller zur Verfügung stehenden Macht reagieren!“). Dass Gerichte eine Verunglimpfung von Politikern als Meinungsfreiheit tolerierten wie im Fall von Renate Künast, sei „absolut nicht hinnehmbar“.
Man hätte schon lange eingreifen und deutlich mehr machen müssen.
Besonders prangerte der neue Chef des Beamtenbundes den seiner Ansicht nach viel zu langsamen Fortschritt der Digitalisierung in der Landesverwaltung an: In vielen Behörden fehlten die Endgeräte, die Leitungen, die Speichermöglichkeiten und die Fachleute, die Anwenderprogramme schreiben. „Der Dienstherr darf dieses Thema nicht länger so stiefmütterlich und planwirtschaftlich vollziehen“, rief Zimbehl in den Saal. Für eine Qualitätsoffensive im öffentlichen Dienst, die jetzt geplant sei, „wird es auch langsam mal Zeit“.
Sagen Sie nie wieder ‚Treppenwitz‘ zu diesem Weihnachtsgeld, denn außerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es sehr viele, die meinen, die Beamten hätten das nicht verdient.
Die deutlichen Worte saßen, in den Grußworten einiger Ehrengäste wurde das rasch klar. Frauke Heiligenstadt, Fraktionsvize der SPD, versprach „weitere Stellenhebungen“ etwa in der Finanzverwaltung. Sie rückte sogar ein wenig von der gemeinsamen Regierungslinie ab, einen Teil der Jahresüberschüsse für die Schuldentilgung einzusetzen. „Wenn es nach mir geht, sind Investitionen in Behördengebäude wichtiger als getilgte Schulden.“ Dirk Toepffer, Chef der CDU-Landtagsfraktion, nahm zunächst den bei Beginn der Veranstaltung so hart attackierten Finanzminister Hilbers in Schutz. Der nehme sein Amt „wie ein Beamter im guten Sinne“ wahr, nämlich als seine Pflicht, die Staatsausgaben in Grenzen zu halten.
Dann wandte sich Toepffer dem früheren NBB-Vorsitzenden Kalt zu, der „im Ton immer sachlich und höflich“ aufgetreten sei – und es damit Toepffer erleichtert habe, Beschlüsse für die Beamten durchzusetzen. Da schwang schon ein wenig Kritik an der allzu forschen Vorstellung der neuen NBB-Spitze mit. Aber Toepffer hatte auch ein entgegenkommendes Signal parat: Die 300 Euro Weihnachtsgeld für aktive Beamte ab A9 vom Jahr 2020 an seien „tatsächlich nicht ausreichend“, deshalb werde man nachbessern – „mit einem Einstieg bei den Pensionären“, sagte der CDU-Fraktionschef. Aber Toepffer hatte noch eine Bitte an den Beamtenbund: „Sagen Sie nie wieder ‚Treppenwitz‘ zu diesem Weihnachtsgeld, denn außerhalb des öffentlichen Dienstes gibt es sehr viele, die meinen, die Beamten hätten das nicht verdient. Worte wie ‚Treppenwitz‘ machen es der Politik nicht einfacher, sich vor die Beamten zu stellen.“ (kw)