Misstrauen statt Verantwortung
Darum geht es: Die Salzlauge aus der maroden Schachtanlage Asse wird ab Januar nicht in die Elbe eingeleitet. Wohin sie transportiert wird, will das Bundesamt für Strahlenschutz aber nicht mitteilen. Ein Kommentar von Martin Brüning.
„Wer auf die Idee kommt, so etwas Abartiges in einem Unesco-Biosphärenreservat zu beantragen, zeigt, wes Geistes Kind er ist. Das Bundesamt für Strahlenschutz beweist damit, dass es Gorleben nur als Müllhalde für die Atomindustrie betrachtet.“ Der Chef des Bundesamtes Wolfram König zitierte gestern im Umweltausschuss des Landtages aus einer Pressemitteilung des Grünen-Kreisverbandes Lüchow-Dannenberg. Unter der Überschrift „Wendlandgrüne entsetzt“ hatten die Lokalpolitiker auf die Idee reagiert, jährlich 4000 Kubikmeter Salzlauge aus der Asse in die Elbe bei Gorleben einzuleiten. Inhaltlich ist die Presseinformation nicht ungewöhnlich, denn Politiker und Anhänger der Partei, die sich Zeit ihres Bestehens für die Abrüstung eingesetzt hat, sind für verbale Aufrüstung immer wieder zu haben. Erst recht, wenn es um die Kernenergie geht.
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König kritisierte sowohl die Überreaktion des Grünen-Kreisverbandes als auch den Umgang in Gesellschaft und Politik mit dem Thema. Er sprach von einer Empörungsdebatte, obwohl es doch nur um radiologisch völlig unbedenkliches Salzwasser gehe. Mit seiner Kritik hat der BfS-Chef recht, dennoch zieht er daraus die falschen Konsequenzen. Wer eine Verantwortungskultur einfordert, sollte sich auch der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit stellen. Und das bedeutet, dass man sowohl gegenüber den Landtagsabgeordneten als auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht das Spiel von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der Kanzlerkandidatenfrage spielen kann und sollte: Ich weiß es, aber ich sage es nicht. Dabei sah Kraft nicht gut aus und König gestern ebenso wenig.
Ungewöhnlich war, dass im Ausschuss in erster Linie nicht die Transparenzverfechter von SPD und Grünen mit Königs Verschwiegenheit Probleme hatten, sondern der CDU-Abgeordnete Martin Bäumer. „Wo sind wir hier eigentlich“, fragte er völlig zurecht und zeigte wenig Verständnis dafür, dass König die Firma partout nicht nennen wollte, die sich ab Januar um den Abtransport des Salzwassers kümmert. Dabei wäre es durchaus interessant, was mit den Transporten passiert, gibt es doch ökologisch weitaus bessere Möglichkeiten als die Einleitung in einen Süßwasserfluss. Dass der Chef eines Bundesamtes die Öffentlichkeit bewusst im Unklaren lässt, kann nicht richtig sein und es ist auch nicht die Lösung des Empörungsproblems.
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König hat unbestritten keine leichte Aufgabe. In der Gemengelage zwischen in der Atomfrage oftmals nicht ganz ehrlichen Politikern und Bürgern, die mit dem Thema am liebsten gar nichts zu tun haben wollen, gibt es für ihn nur wenig zu gewinnen. Es hilft aber nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Am besten fängt man immer dort an, wo man am ehesten etwas ändern kann – vor der eigenen Tür. Hätte das Bundesamt in der Diskussion klüger agieren können, als die Debatte um die Einleitung in die Elbe Fahrt aufnahm? Sind Textwüsten wie die „Asse-Einblicke“ heute noch der richtige Weg, um ansatzweise interessierte Bürger zu erreichen? Man kann dem Bundesamt nicht vorwerfen, dass es nicht kommuniziert. Die Frage ist, ob es in der heutigen Zeit angemessen und richtig kommuniziert. Das Gegenteil von moderner Kommunikation ist das Zurückhalten von Informationen. Das hat nichts mit der geforderten Verantwortungskultur zu tun, es befördert vielmehr eine Kultur des Misstrauens.
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